46 (Lesenacht: Kapitel 2/4)

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Am Nachmittag hatten mein Gast und ich beschlossen etwas aufzuräumen und sauberzumachen, bevor wir gegen Abend Brote geschmiert hatten.

Doch egal womit ich mich den Tag über beschäftigt hatte, mit den Gedanken war ich immer nur bei meinen Freundinnen. Mir ließ das seltsame Verhalten der Zwei einfach keine Ruhe.

Ich hatte ihnen eine Nachricht geschickt und gefragt was losgewesen sei, doch bisher hatte weder Sue noch Millie darauf reagiert. Und das machte mich total stutzig, da gerade Millie normalerweise nonstop an ihrem Smartphone hing.
Doch dann fiel mir ein, dass ich mit Beiden ja nur über einfache Prepaidhandys schrieb und sie vielleicht unterwegs waren und bloß ihre eigentlichen Telefone dabei hatten. Für mich klang das erstmal logisch.
Das bedeutete jedoch, dass sie sich zurückmelden mussten, sobald sie - von was auch immer - nach Hause kamen und meine Nachricht nicht bloß absichtlich ignorierten.
Wie ich es auch drehte und wendete, ich musste einfach erstmal abwarten, egal wie schwer es mir fiel.


Mal wieder hatten mein Patient und ich uns in die Sessel im Wohnzimmer gesetzt, in Decken eingekuschelt und Heißgetränke geschlürft.

Es schien mir, als wäre das zu unserem Abendritual geworden.

Mittlerweile wurde es draußen immer früher dunkel. Obwohl ich den Herbst nicht mochte - und den Winter erst recht nicht - gefiel es mir doch, abends genau so hier zu sitzen und die gemütliche Atmosphäre in der Hütte zu genießen.

Ich wollte nichts unversucht lassen und meinem Patienten sagen, was in mir vorging - in der Hoffnung, er hatte vielleicht eine Erklärung für das sonderbare Verhalten meiner Mädels.

„Ich habe echt keine Ahnung, was vorhin mit Millie und Sue losgewesen ist. Normalerweise sind sie alles andere als kurz angebunden, sondern reden gerne und viel. Aber heute ..."

Nachdenklich stellte mein Gast seine Teetasse ab.
„Ehrlich gesagt denke ich, es liegt an mir", fuhr er dazwischen.
„Ich habe ihre Blicke auf mir gespürt.
Sie mögen mich einfach nicht. Und, tja, wer kann es ihnen auch verübeln... Ich habe dich in diese Lage gebracht, dich mit deiner schweren Vergangenheit konfrontiert und dich dazu gebracht, vor der Polizei und ein paar Kriminellen zu flüchten und dich zu verstecken. Welche Freundinnen würden das toll finden?"

Gut, da hatte er recht. Kaum sichtbar nickte ich.

Was er gesagt hatte, konnte man nicht leugnen. Doch das war ja nichts Neues und vor ein paar Tagen schien den Beiden das noch wenig ausgemacht zu haben - im Gegensatz zu heute. In unseren Chats der letzten Tage meinte Millie noch, ich sollte mir „ihn schnappen". Das hieß doch, sie fand ihn nett.
Das passte doch alles nicht zusammen. Irgendetwas musste in der Zwischenzeit passiert sein, von dem ich keine Ahnung hatte und anscheinend auch nicht haben sollte.

„Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Als ich zuletzt mit ihnen geschrieben habe, war noch alles okay."

Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Wenn sie mir doch einfach zurückgeschrieben hätten...

-

Nach unserem Gespräch über meine Mädels, das uns keinen Aufschluss brachte, gingen mein Patient und ich ins Bett. Er schien relativ schnell eingeschlafen zu sein - im Gegensatz zu mir. Ich grübelte noch stundenlang vor mich hin und linste immer wieder zu meinem Handy, das jedoch stumm blieb.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich immer noch keine Nachrichten bekommen. So langsam wurde die Situation seltsam und ich beschloss, beide am Abend anzurufen, falls sie sich im Laufe des Tages nicht zurückmelden würden.

„Na, gut geschlafen?", fragte ich meinen Patienten, nachdem ich mein Handy zurück auf den Nachttisch gelegt hatte.

„Ja, ziemlich. Du allerdings nicht, oder?"

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt