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Als ich mich am nächsten Tag schwerfällig aus dem Bett hievte um mich für die Arbeit fertig zu machen, ließ ich mir das Gespräch mit meinem Opa noch einmal durch den Kopf gehen.

Er hatte mit 20 das Auto seines Nachbarn geklaut und damit gleich mehrfach Spritztouren gedreht.
Der Mann von nebenan hatte dies wohl erst nach Monaten herausbekommen und sich dann eines Nachts auf die Lauer gelegt und die Polizei alarmiert, als er meinen Opa auf frischer Tat ertappte.

Das klang für mich eher nach einem dummen Jungenstreich als nach einer schwerwiegenden Straftat. Immerhin hatte Opa da auch schon
einen Führerschein.

Diese Taten waren ja nun längst nicht so schlimm, wie einen Juwelier mit Schusswaffen zu überfallen, Geiseln zu nehmen und jemanden umzubringen.

Ich hatte das seltsame Gefühl, dass mein alter Herr einfach mal „cool" vor seiner Enkelin dastehen wollte.

Verrückt!

Grinsend stieg ich unter die Dusche und genoss die erfrischenden Tropfen, die auf meine Haut prasselten.

-

„Lynn", rief Jason mir entgegen, als ich kurze Zeit später die Intensivstation betrat.

Sein Gesichtsausdruck wirkte wie eingefroren und ich sah ihn fragend an. Er machte mir irgendwie Angst.

„Was ist los?"

Wir gingen aufeinander zu.

Nervös leckte ich mir über die Unterlippe. Ich hatte das Gefühl, dass mein kompletter Mund austrocknete.

„Er hat es nicht geschafft.

Wir haben ihn gestern verloren."

Jason starrte mich an.

Ich hatte das Gefühl die Zeit blieb stehen.

Was? Was sagte er da?

Er... er war gestorben? Das konnte nicht sein.

Augenblicklich stieg Hitze in mir hoch.

Seine Werte waren doch gestern noch in Ordnung. Ich konnte es nicht glauben.
Meine Gedanken rasten, mein Herz pochte wild und auf meinen Fingern begann sich Feuchtigkeit zu entwickeln.

Ein riesiger Kloß steckte mir in meinem Hals fest. So fest, dass ich das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Ich atmete schwer und schnappte durch meinen Mund nach Luft.

Wie konnte das sein? Ich hatte doch alles richtig gemacht, oder nicht?

War mir etwa ein gravierender Fehler unterlaufen? Oder hatte ich etwas übersehen?

Ich konnte mir nicht erklären, was die Ursache dafür gewesen sein könnte.

„Scheiße", brachte ich nur mit zusammengebissenem Kiefer heraus und es gelang mir nicht, Jason dabei in die Augen zusehen.

Leider war es nicht ungewöhnlich, dass jemand nach einer Reanimation doch nicht lange überlebte.

Aber er, er war doch auf einem guten Weg. Sein Körper wirkte gesund, sportlich, widerstandsfähig.

Und er war jung.

Das passte doch nicht zusammen!

„Was... was ist passiert?", fragte ich meinen Kollegen und spielte nervös am Saum meines Shirts herum.

Ich musste es einfach sofort wissen. Ich musste meine verwirrenden Gedanken ordnen können.
Ich musste erfahren, ob ich einen Fehler gemacht hatte, der ihn das Leben kostete.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt