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„Lass uns was frühstücken", fuhr ich ihm dann ins Wort und erstickte meine erahnte Demütigung erneut. Auch meine eigenen Gedanken unterbrach ich damit ebenfalls.

Als er jedoch mit irritiertem Gesichtsausdruck nach Luft schnappte und wieder ansetzen wollte, griff ich so abrupt in den Tellerstapel im Schrank, dass nun das laute, langanhaltende Klirren des Porzellans ihn ausbremste.

Nachdem ich im Schneckentempo - dafür aber mit doppelter Lautstärke - zwei Teller aus dem Schrank genommen und auf die Arbeitsplatte gestellt hatte und es endlich leise war, sah ich aus dem Augenwinkel, dass er seinen Mund wieder geschlossen hatte, seine Gesichtszüge entspannte und resignierend nickte.

„Okay. Frühstücken wir."

Gut, er hatte es aufgegeben. Zumindest vorerst.
Ich fragte mich, ob es sich wirklich für ihn erledigt oder ob er gemerkt hatte, dass ich nicht mehr darüber reden wollte.

Wie auch immer, ich musste jetzt standhaft bleiben, um ihm zu zeigen, dass ich ihm einfach nur helfen und nett zu ihm sein wollte - mehr nicht. Das wäre das Beste für uns Beide, denn somit hatte ich die Chance, meine aufkeimenden Gefühle erlöschen zu lassen und ihm zu zeigen, dass ich ihn bloß als gute Seele unterstützen wollte und er keine „Angst" vor mir haben musste.

Jap, sehr guter Plan...

-

Nachdem ich tiefgefrorenes Brot in der Mikrowelle aufgetaut hatte, stellte ich Honig, Marmelade und Schokocreme auf den Tisch und wunderte mich darüber, dass Opa scheinbar nicht nur regelmäßig die Konserven austauschte, sondern auch diese Dinge. Das sagten mir zumindest die Haltbarkeitsdaten auf den Etiketten und versicherten mir somit, dass er gerade erst da gewesen sein musste.
Gut, dann waren zumindest die Chancen gering, dass mein Großvater in den nächsten Wochen wieder hier aufkreuzen würde.

Mein Patient saß bereits am Tisch und sah mir dabei zu, wie ich die Kaffeemaschine abschaltete.

Kurz darauf ging ich mit zwei vollen Tassen auf den Tisch zu und setzte mich ebenfalls, nachdem ich sie verteilt hatte.

Nun musste ich allerdings meinen Plan der „netten Kumpelin" weiterverfolgen.

„Und wie war deine Nacht?", fragte ich daher ganz locker und griff nach der Marmelade, um sie auf meiner Brotscheibe zu verteilen.

„Gut, danke.
Ich bin zwar - so wie du auch - nicht direkt eingeschlafen, habe mich aber sehr wohl gefühlt und dann doch zum ersten Mal wirklich durchschlafen können", antwortete er zufrieden.

Natürlich freute mich das, doch ich dachte sofort daran, dass er damit ja indirekt gesagt hatte, dass er die Stunden mit mir in meinem Bett und die restlichen allein auf meinem Sofa, anscheinend schlechter empfunden hat.

Oh Mann, meine bekloppten Gedanken gingen mir schon selber auf den Zeiger!

„Schön", bestätige ich ihm lächelnd ohne mir etwas anmerken zu lassen und biss dann von meinem Brot ab.

Stumm aßen wie eine Weile, bis ich hörte, dass ein Auto den Waldweg hinunter kam und ich aufsprang um aus dem Fenster zu linsen.

Zum Glück erkannte ich schnell eins der Autos von Sues Tante.

Sie war sehr vermögend, besaß meist vier oder fünf verschiedene Wagen gleichzeitig und war ständig auf Reisen.

Ihre Nichte durfte sich während ihrer Abwesenheit ungefragt alles leihen - das war schon immer so. Eigene Kinder hatte Tante Jane nicht, weshalb Sue bei ihr Narrenfreiheit genoss.

An warmen Sommerwochenenden hatten Sue, Millie und ich uns oft Sportwagen von ihr geliehen und Cabriotouren gemacht oder an ihrem Pool gelegen...

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt