42

4.1K 132 16
                                    


Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich ausgeschlafen, ruhig und wohl in meiner Haut.

Mit Sicherheit hatte das nicht nur damit zu tun, dass ich auf einer bequemen Matratze und unter einer weichen Bettdecke gelegen hatte, sondern auch damit, dass mein Gast und ich uns gestern ausgesprochen hatten.

Ich hatte mich getraut mich ein Stück weit zu öffnen und etwas aus meinem Innersten nach außen zu tragen. Und obwohl ich Angst vor der Reaktion meines Gegenübers hatte, tat ich es, weil ich die Ungewissheit nicht mehr ertrug.

Und es hatte sich ausgezahlt.
Ich hoffte, ich würde diese neue Stärke und den Mut in mir nicht verlieren.

Langsam und möglichst leise versuchte ich mich umzudrehen und sah dann direkt in die schönen Augen meines Bettnachbarn, die mich bereits fixierten.

„Hey", begrüßte ich ihn und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Bist du schon lange wach?"

„Hmm, vielleicht zehn Minuten. Länger bestimmt nicht. Ich habe geschlafen wie ein Stein - dank dir."

„Achso, du findest mich also einschläfernd", gab ich gespielt gekränkt von mir, zog eine Schnute und verschränkte die Arme vor meiner Brust.

„Na so war das natürlich nicht gemeint." Mein Patient schmunzelte kurz, bevor sein Lächeln erlosch und er ernst wurde. 
„Und du? Wie hast du geschlafen? Musstest du viel an deine Eltern denken?"

Eine gute Frage.

Ich ging in mich und nahm mir die Zeit die ich brauchte, um sie beantworten zu können und mir wurde klar, dass ich gestern tatsächlich nicht mehr an meine Eltern gedacht hatte.

„Ich habe auch gut geschlafen. Und auf jeden Fall besser als die Nacht davor. Ich würde sagen, ich war zu müde, um gestern Abend - nachdem ich das Licht ausgemacht hatte - überhaupt noch großartig über irgendetwas nachdenken zu können.
Ich glaube, die Ablenkung durch den Film war eine gute Idee."

Ein breites Grinsen, das auch genau so in einer Zahnpastawerbung hätte zu sehen sein können, erschien auf seinem Gesicht.

„Das freut mich Lynn! Das freut mich so sehr!", sagte er und setzte sich auf. „Dann werden wir das jetzt jeden Abend so machen. Neue Erinnerungen schaffen und dann zusammen einen Film sehen. So lange, bis du diesen Ort hier wieder lieben kannst.

Und jetzt frühstücken wir, ja?"

Ich konnte mich nun auch nicht mehr zurückhalten und grinste ebenfalls bis über beide Ohren.

Ich hatte so großes Glück mit ihm.

-

Nach dem Frühstück im Schlafoutfit hatten wir uns fertig gemacht und waren bereit, an unserer Mission weiterzuarbeiten.

Mittlerweile schaffte es mein Patient, sich ganz ohne meine Hilfe fertigzumachen. Zwar dauerte es seine Zeit, aber es klappte. Obwohl er es auch nicht gerade angenehm fand, seinen Körper zu waschen, hatte er zumindest keine Schmerzen mehr dabei.

„Wenn ich endlich wieder duschen darf, mache ich drei Kreuze", rief er, während er die Badezimmertür schloss und auf mich zukam.

„Oder baden, das wäre was!"
Seufzend zog mein Gast den Küchenstuhl unter dem Tisch hervor und ließ sich darauf fallen, bevor er seine Tabletten mit einem Schluck Wasser herunterspülte.

Ich goss ihm eine Tasse Kaffee ein und setzte mich neben ihn.

„Ich verstehe das. Aber du musst noch etwas Geduld haben. Morgen könnte ich die Fäden ziehen und dann sehen wir weiter."

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt