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Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mir meine Träne mit den Fingerspitzen wegwischte.

Kieran verzog keine Miene, während er weiterhin stumm die Mündung seiner Pistole - nach dem Warnschuss den er abgegeben hatte - an die Schläfe der Person hielt, die kniend vor ihm hockte und heftig weinte.
Seine Faust hatte er immer noch in ihrem Haar.

Es war lang und schwarz.

Sein Opfer wirkte sehr hübsch, wie ich fand.

Schlank, sportlich, große blaue Augen, volle Lippen, dichte Wimpern... Fast ein bisschen wie Schneewittchen sah sie aus.

Doch ich war weiterhin ahnungslos und konnte mir keinen Reim darauf machen, wer sie war.

Sicher war nur: Sowohl Kieran als auch Ben schienen sie gut zu kennen, denn dass Ben sichtlich geschockt war und sie ihm etwas bedeutete, hätte in dem Moment niemand leugnen können.

Alle meine Härchen stellten sich auf, als ich dann in Kierans Augen blickte.

Obwohl ich wusste wie er war und sein tiefstes Inneres kannte, verunsicherte mich sein Verhalten.

Dass er einiges in Bewegung setzte, um mich lebend aus dieser Fabrik zu holen, hatte ich mir gut vorstellen können, doch dass er einer Anderen das antat, was sich gerade vor meinen Augen abspielte, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.

Sie hatte ihn mehrmals angefleht sie nicht umzubringen und dabei aus voller Kehle geschrien und herzzerreißend gewimmert, während ihr die Tränen, die sich mit Mascara vermischt hatten, nur so über ihr Gesicht strömten.

Doch Kieran hatte nicht auf sie reagiert.

Er hatte weder etwas gesagt, noch etwas getan.

Das Einzige was er machte, war Ben in die Augen zu starren und die Schwarzhaarige nicht aus seinem Griff zu lassen, oder gar seine Pistole herunterzunehmen.

Ich wagte es, Ben mit einem seitlichen Blick anzuschauen.

Auch er tat nichts weiter als starren.

Und das mit dem größtmöglichen Entsetzen in seinem Gesicht.

Dann begann die Schwarzhaarige wieder unter Tränen zu flehen.

„Will! Bitte... bitte lass... lass m...mich gehen.
Ich... ich hab d...dir doch vertraut..."

Das riss mir den Boden unter den Füßen weg.

Was zur Hölle?!

Was sagte sie da? Was meinte sie?

Sie hatte Kieran ihr Vertrauen geschenkt und er..? Er was...?!

Mein Gesicht wurde ganz heiß.

Was ging hier ab?

Erschrocken und verwirrt blickte ich zwischen ihr, Kieran und Ben hin und her.

Dann hörte ich Kierans Stimme, die sich an die Schwarzhaarige richtete.

„Halt deinen Mund!", schnauzte er sie barsch an.

Mein Magen knotete sich daraufhin zusammen und ich hatte große Mühe, mir selbst weis zu machen, dass es wirklich Kieran war, der vor mir stand und sich so verhielt.

Ein fetter Kloß bildete sich in meinem Hals und begann, mir das Atmen zu erschweren.

Wie konnte er ihr das bloß antun?

Das war doch nicht mei... der Kieran, den ich kannte!

Wer auch immer sie war, sie tat mir unheimlich leid.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt