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„Neeeeiiiinnn!", schrie Millie aus vollem Halse.

„Neeeeiiiinnn! Nicht!"

Verängstigt sah ich zu ihr herüber.

Ihre roten, glasigen Augen stachen mir sofort entgegen.

„Lass die Finger von ihr du ehlendiges Arschloch!"

Ross ließ daraufhin seinen Kopf in ihre Richtung schnellen und die Waffe dabei langsam sinken.

Er wendete sich von mir ab.

Kaum hörbar atmete ich aus.

„Was hast du gesagt du dummes Flittchen?!"

Mit abfälligem Gesichtsausdruck marschierte er auf sie zu.

„Vielleicht sollte ich dir dein großes unverschämtes Maul zukleben..."

Er kam dicht vor Millie zum Stehen, packte sie dann an den Haaren und zog ihren Kopf mit einem Ruck nach hinten.

„... oder vielleicht doch lieber... stopfen!"

Erschrocken riss ich meine Augen auf.

Dann schaltete sich Sue ein.

„Verpiss dich von ihr du Widerling!"

Ohne seinen Blick von Millie zu nehmen, oder gar ihre Haare loszulassen, antwortete er nur hämisch lachend auf Sues Beleidigung.

„Eine Rotzgöre frecher als die andere. Ich kann's kaum glauben... Anscheinend muss dieses Benehmen mal gehörig aus euch rausge..."

Dann knallte eine schwere Eisentür.

Alle schreckten hoch und Ross ließ sofort von Millie ab.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, es wären schlagartig Minusgrade in der alten Fabrik und ein eisiger Wind zöge durch die Hallen.

Ich spürte den Drang danach, meine Oberarme mit meinen Händen zu reiben und sie damit zu wärmen, doch ich konnte nicht, denn ich war gefesselt.

Ohne es zu sehen oder zu hören wusste ich, dass meine Freundinnen das Gleiche fühlten wie ich.

Denn Ben Braxton war in die Halle getreten.

Und nicht nur wir hatten Angst vor ihm, sondern auch Ross schien von ihm eingeschüchtert.

Dieser Mann, deutlich älter als Ross, riesengroß, breit, mit kaum mehr Haaren auf dem Kopf, aber umso mehr Bart in grau, ließ mich sofort erschaudern.

Seine gesamte Aura wirkte dunkel, gefährlich und mächtig.

So jemandem war ich noch nie begegnet.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Kieran ihn als Vaterfigur ansehen und in der Vergangenheit so viel Zeit mit ihm verbringen konnte.

In seiner Nähe fühlte ich mich einfach nur furchtbar.

Ben fuhr Ross an, der daraufhin sämtliche Muskeln seines Körpers verspannte.

„Was tust du?"

„Ben... äh... ich, ich..."

„Was ist mit ihr?"
Ben zeigte mit einem kurzen Kopfnicken auf Millie.

„Sie... sie war... ungehalten."

Ben legte die Stirn in Falten und verengte seine Augen zu Schlitzen. Pure Aggressivität war in seinem Gesicht zu erkennen.

Er machte bloß eine kleine unscheinbare Handbewegung und Ross wich sofort einige Meter von Millies Stuhl.

Womöglich hatten alle Gangmitglieder selbst Angst davor, dass Ben auch ihnen etwas antun könnte und kuschten bei jeder Kleinigkeit. Ross zumindest, schien ihm gegenüber absolut unterwürfig.
Sicherlich war der geplante Ausstieg für Kieran deshalb noch schwerer, als ich es zu erst vermutet hatte.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt