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Meine Eltern reisten noch an jenem Vormittag ab, nachdem meine drei Freunde angekommen waren. Alon hatte sich umgehend auf das Sofa fallen lassen, Melody starrte die Familienfotos auf der Kommode an und Mark streifte durch das gesamte Wohnzimmmer wie ein Tieger, der sein neues Territorium erkundete. Schließlich drehte er sich zu mich um, auf dem Gesicht ein zufriedener Ausdruck. „Eure Wohnung ist tatsächlich ein bisschen größer als mein Apartment, außerdem liegt es etwas geschützter am Stadtrand.", kommentierte er. Der Fernseher unterbrach seine Inspektion und unsere Blicke fielen auf den Herbstjungen, der die Fernbedienung in der Hand hielt. Mit einem verlegenem Lächeln ließ er diese sinken. „Mach nur, und fühl dich wie zuhause. Solange nichts kaputt geht.", wies ich ihn an. Er salutierte mir, ehe er sich wieder dem Fernsehprogramm widmete.

Ich bot dem neuen Pärchen Getränke und Essen an, doch die beiden sahen aus, als würden sie sich lieber gegenseitig vernaschen. Innerlich verzog ich das Gesicht. "Ihr könnt euch später am Kühlschrank bedienen.", meinte ich schließlich und erntete  gedankenverlorenes Nicken. Ich drehte den beiden den Rücken zu, sah ich etwa Caspian genauso an? Nein, als ob. Ich besaß noch einen Funken Verstand, niemals würde ich ihn einen derartigen Blick schenken, ob Gefährte oder nicht! Das hätte er wohl gerne, bemerkte ich mit einem Grinsen.

Ehe ich mich versah begann mein Telefon, in der Hosentasche zu summen. Ich nahm an. "Hallo?", sprach ich und erst, als ich seine Stimme hörte, fielen jegliche Spannungen ab. Spannungen, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existiert hatten. "Ich wollte mich endlich bei dir melden.", erhielt ich als Antwort und musste doof kichern. Wenn man schon an den Teufel höchstpersönlich dachte.

"Warum so altmodisch?", wurde von mir entgegnet. "Warum nicht? Mir war irgendwie danach. Ist aber egal, viel wichtiger ist, wie es dir geht. Habt ihr bereits einen Plan?", erwiderte er, die Neugier in der Stimme kaum in Zaun haltend. "So ungefähr. Ich nehme ganz entspannt den Spiegel der ewigen Wahrheit direkt aus den Händen deines Onkels, grüße noch einige Bekannte und mache mich dann aus dem Staub, um mit den anderen im Wald das Ritual durchzuführen." Ein belustigtes Schnauben. "Wirklich seeehr entspannt.", kommentierte er gedehnt, doch kehrte schnell zu seinem üblichen, seriösen Ton zurück. "Soll ich dir helfen? Leute schicken? Mein Onkel ist leider mit den Taktiken des Machtzentrums bekannt, also bin ich mir nicht sicher, wie sehr ich dir helfen kann. Dennoch, sicherlich kann ich dir Zeit kaufen und seine Untertanen ablenken." Mit einem stillen Lächeln musterte ich die weißen, zu gebrechlich wirkenden Buchstaben auf dem Display, die seinen Namen ergaben. "Ich werde mich mit den anderen besprechen. Danke übrigens für die Informationen vom letzten Mal, sie haben uns sehr weitergeholfen.", wendete ich ein, den Blick noch immer auf die Buchstaben fokussiert. "Ich werde auf deine Belohnung warten. Ich bin dein Verbündeter in verschiedenen Formen, vergiss das nicht. Ich habe keine Angst mehr, meinen Ruf für dich zu sprengen. Das hast du mir gezeigt.", redete er auf mich ein. Ich verzog meine Lippen. Ich war mir selbst nicht sicher, ob ich seine Hilfe beanspruchen konnte, oder überhaupt durfte. Nein. Ich würde selber an den Spiegel der ewigen Wahrheit gelangen, ohne ihn in Gefahr bringen zu müssen. Dies war die beste Lösung für uns beide.

꧁soundless snow꧂Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt