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Im Endeffekt war es meine Mutter, die Alon die Haare schnitt. Und nein, er verlor kein Ohr. Während mein Vater am Esstisch saß und mit Melody ein ernstes Gespräch führte. Das Gespräch. Ich hoffte auf das Beste, hoffte darauf, dass das Mädchen bei uns bleiben könnte. Unwillkürlich begann ich, mit meinen Fingern zu spielen, während mein Blick immer wieder zu meinem Handy glitt. Und da gab es auch noch dieses Problem. Ugh. Kein Wunder, dass ich bei so vielen Ereignissen vollkommen durch den Wind war. Ich ließ einen letzten Blick durch den Raum schweifen, ehe ich vom Sofa aufstand und mit dem Telefon in der Hand die Treppe zu meinem Zimmer ansteuerte.

Nicht das kleinste Signal hatte ich von ihm bekommen. Nichts. Ich ließ sanft die Luft aus meinen Lungen entweichen, als ich die Tür schoss und meinen Schreibtisch ansteuerte. Meine Hand glitt zu meinem Ausschnitt und ich zog daran, um einen Blick auf die Rose über meinem Herzen werfen zu können. Die Linien leuchteten schwach. Ich schob den Stoff zurück an den rechtmäßigen Platz und schloss kurz die Augen, mein Kopf hatte angefangen, zu pochen. Hatte ich mir etwas eingefangen? Nein, ich wurde nicht krank, wenn es Winter war. Nur im Frühling und im Herbst musste ich dank meiner Omega Genen aufpassen. Ich sollte lieber meine Zeit in Schulsachen investieren, anstatt so hoffnungslos zu Grübeln.

Als Alon und Melody gegangen waren, nahm ich heimlich eine Schmerztablette aus dem erste-Hilfe Kasten. Das Abendbrot mit meinen Eltern ließ ich aus, was sogar nicht hinterfragt wurde. Wahrscheinlich, weil sie verstanden, dass die letzten Tage mich mitgenommen hatten. Es hatten sich nur noch mehr Fragen offenbart als beantwortet. Das war keine gute Sache. Ich ging heute daher besonders früh schlafen. Vielleicht würde morgen alles besser werden, zumindest hoffte ich es.

Nun, der nächste Morgen wurde nicht wirklich besser, außer, dass mich Schuldgefühle plagten. Er war es, der mich plagte. Wäre er sehr böse, wenn er herausfinden würde, dass ich im Geheimen gegen ihn arbeitete und Melody befreit hatte? Da wollten sogar Alons Kekse nicht helfen, die er heute schier in mich reinzustopfen versuchte. "Ich will ja nur, dass es dir besser geht. Du siehst so traurig aus.", verteidigte er sich und drückte mir die ganze Packung in die Hände. Stumm musterte ich die Tüte, während der Duft nach Zimt in meine Nase drang und das Plastik in meinen Fingern knisterte, als ich es zusammendrückte. Sah man mir es wirklich so sehr an?

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now