꧁ | 8

7K 266 23
                                    

Als ich auf einen Balkon trat, prallte die klirrend kalte Luft auf meine Haut, doch ich erzitterte nicht. Ich tat rein gar nichts, sondern legte nur die Hände auf die marmorne Brüstung und atmete tief durch. Die Winterluft vertrieb den festlichen Anlass aus meinem Kopf und ließ mich wie ein neuer Werwolf fühlen, frei und von Frieden erfüllt. Schneeflocken landeten auf meinem Haar und dem dicken, weißen Kunstfell, doch ich wich nicht. In der Ferne konnte ich sie sehen, die dunklen Silhouetten der Bäume, die zusammen einen gewaltigen Wald bilden sollten. Ich kannte mich auf dem Grundstück nicht aus, und trotzdem beruhigte mich der Gedanke etwas.

Erst das Klacken von Absätzen auf dem glatten Boden ließ mich aus meinen Gedanken fahren. Ich zuckte zusammen, ich musste mich nicht mal umdrehen, wer da stand. Meine Augen weiteten sich und ich schnappte nach Luft, als die Realisation mich traf, und eine warme Welle durchflutete mich. Sie hinterließ ein angenehmes Kribbeln, fast hätte ich aufgeseufzt. "Du spürst es auch, nicht war?", meinte eine überraschend tiefe, männliche Stimme hinter mir und meine Finger krallten sich an den hellen Marmor, eine Schicht an Schnee bedeckte sie.

Ich wagte nicht, den Mund zu öffnen, stattdessen starrte ich stur den Wald an, der sich vor mir in der Ferne entfaltete. "Sprich, du hast doch einen Mund.", fuhr der Mann fort, seine Stimme klang so hart, wie seine Absätze auf dem Boden geklungen hatten. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen und versuchte, das warme Prickeln in mir zu vertreiben. "Ihr tut mir leid, Sohn des Mächtigsten, Ihr tut mir leid, dass Ihr keinen anderen Namen habt und dass ich auch nicht vorhabe, Euch einen anderen Namen wie Liebster zu geben.", sprach ich schließlich. Kurz blieb es still.

"Dir ist doch gewiss, dass du uns beide tötest, wenn du das tust. Nein, der Tod wird die einzige Befreiung von den Schmerzen sein, die wir von deinem törichten Handeln erleiden werden. Überleg es dir gut, ich kann dir alles geben, wenn es auch keine Liebe sein wird, also wäre es nicht schade, wenn du diese einmalige Möglichkeit verstreichen lässt? Wie viele Mädchen würden sich um dein Glück reißen, dass du vom Mond ausgewählt wurdest?", erklärte er mit erstaunlich ruhiger Stimme und ich musste lächeln. "Ich verstehe endlich. Ihr seid nur ein verbitterter Wolf, der sich selbst schon als Objekt ansieht. Was kann ich auch dafür, dass ich das habe, was Ihr Glück nennt. Ich will nicht sterben, aber ich brauche etwas Zeit."

Schritte ertönten hinter mir und ich zuckte zusammen, als eine Hand sich auf meinen Oberarm legte. Sie war warm, als hätte mich der Sommer berührt, un in Wellen breitete sich die Wärme in mir aus. Fast schon konnte ich den süßen Duft nach Blumen riechen und das Zwitschern der Vögel hören. "Es ist zu kalt draußen, außerdem bist du ein Omega, du solltest dich in so leichter Kleidung nicht an die frische Luft begeben. Komm zumindest mit und stell dich meinen Eltern vor, damit sie Ruhe geben. Mehr will ich nicht.", flüsterte die Stimme und ich musste den Kopf schütteln, um mich aus meiner tranceartigen Starre zu reißen. "Ich habe gesagt, ich brauche Zeit.", knurrte ich und jemand atmete erschrocken auf, als ich begann, über die Reling zu klettern. Ich tat etwas, was ich später noch bereuen würde, ich ließ mich ins Nichts fallen und offenbarte dem Sohn des Mächtigsten mein lange gehütetes Geheimnis. Zuerst begriff er nicht, dass ich niemals aufprallen würde, doch als er haareraufend in den Garten eilte, um nach meinem Körper zu suchen, begriff er.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now