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Ich rümpfte die Nase, als ich den stechenden Geruch nach Desinfektionsmittel vernahm. „Du kannst mich runterlassen, die Leute schauen schon komisch.", zischte ich Mark zu, doch dessen Griff verstärkte sich nur. „Kommt nicht in Frage.", erwiderte er nachdrücklich und ich ließ mit einem unzufriedenem Stöhnen den Kopf hängen. „Als ob ich irgendwo wegrennen könnte, jetzt, wo ihr eure Kräfte habt.", murrte ich in mich hinein.

Unser Weg führte uns vorbei an überraschten Krankenschwestern zum Aufzug bis hin in den letzten Stock. Als wir angekommen waren spürte ich endlich wieder Boden unter den Füßen. Probehalber trat ich von einem Fuß auf den anderen ehe ich aufsah. Alon winkte mich bereits zu einer hohen Tür mit goldenem Schild. Nummer Eins. Ich schluckte schwer, als ich darauf zu ging. Warum kribbelte es in meinem Bauch?

Mit ausdrucksloser Miene schlüpfte ich in den Raum und sah mich um. Weiße, sterile Wände, ein warmer Holzboden und eine Sitzecke vestehend aus zwei wuchtigen, edlen Ohrensesseln aus Leder und einer Topfpflanze als Dekoration. Mein Blick glitt weiter zum Bett, welches am anderen Ende des Zimmers positioniert war. Die Stille wurde vom Piepen der Monitoren und vom stetigen Ticken der Wanduhr unterbrochen. Es roch fern nach rauchiger Vanille. Und dem scharfen Geruch nach Medizin. Die vielen Kabel, die von den Maschinen ins Bett leiteten wirkten wie ein Wanderweg für meine Augen. Schließlich blinzelte ich.

Im Bett lag ein Mann, sicher eingemurmelt in Kissen und Decken. Es war der Mann aus dem blutroten Schnee, schoss es mir durch den Kopf. Ehe ich mich versah war ich nähergetreten, jedoch hielt ich noch immer einen Sicherheitsabstand von etwa fünf Schritten. Der Fremde hatte die Augen geöffnet, anscheinend hatte unsere Ankunft ihn aus dem Land der Träume gerissen.

Tiefe Augenringe hatten sich in die blasse Haut gekebt, so dunkel, als hätte er sich zwei üble Blutflecken zugezogen. Trotzdem verzogen sich die Lippen zu einem schwachen Lächeln, obwohl ein Zucken durch die Augenbrauen fuhr. „Wolf, du siehst aber schrecklich aus.", stieß Alon zwischen den Zähnen hervor und erhielt einen Ellenbogen in die Seite. Melody funkelte ihn an. „Dir auch einen wunderschönen Tag. Sprich, wie geht es Anastasia?", erwiderte der Kranke mit heiseren Stimme und sogar ich konnte die zutiefste Besorgtheit seinem Ton entnehmen. Ich runzelte fragend die Stirn. „Sie kann sich an nichts mehr erinnern, anscheinend auch nicht mehr daran, dass man jeden Tag mehrere Maglzeiten einnehmen muss.", beantwortete Mark die Frage und der Fremde nickte, wie es eben sein Zustand zuließ. „Ich kann mir einen Reim darauf machen, was sie im Spiegel der Wahrheit hat aufgegeben.", fügte er seufzend hinzu. Alon trat vor. „Dieser ganze Spiegel der Wahrheit war nur ein riesiger Blödsinn. Die Mondgöttin wollte uns nur testen. Ich bin mir sicher, dass sich noch ein Teil von ihr an dich erinnert.", wandte er ein und etwas in mir regte sich. Was meinte Alon nur?

„Es liegt an dir, Caspian, die Barriere in ihrem Gedächtnis zu durchbrechen."

Caspian. Ich ließ mir den Namen auf der Zunge zergehen und stellte fest, dass mir der süße Geschmack bekannt vorkam. Doch als ich meine Erinnerungen durchforstete, war da etwas. Wie ein riesiger, pechschwarzer Fels, der meine Suche unterbrach und sich fast schon drohend vor mir aufbaute.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now