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Ich verbarg das Grinsen im hohen Kragen meiner Jacke, während ich die Lebensmittel auf das dunkle Fließband beförderte. Meine Mutter ahnte nichts. Das regelmäßige Piepen des Scanners ertönte, und meine Augenbrauen hoben sich, als sich das Fließband zu bewegen begann, es war ein Wettlauf der Zeit. Jedenfalls fühlte ich mich hibbelig genug, um diesen voller Eifer zu bestreiten.

Meine Mutter schüttelte schließlich doch den Kopf, als ich mit Schwung die vollen Taschen ins Auto beförderte und kratzte das Eis von den Fenstern, während ich den Einkaufswagen wieder wegbrachte. Gemeinsam fuhren wir nach Hause. Ich fischte mein Handy aus der Jackentasche, um Alon zu schreiben, dass ich mich mit ihm versöhnt hatte. Eine erfreuliche Nachricht. Noch immer fühlte es sich surreal an, den Sohn des Mächtigsten in einem ganz normalen Supermarkt anzutreffen, ihn in ganz normalen Klamotten vorzufinden und sich ganz normal mit ihm unterhalten zu können. Ich konnte aber nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hätte.

Als ich nach dem Abendessen endlich in meinem Zimmer auf dem Bett lag, traf mich die Realisation. Wieder musste ich komisch lächeln, ich konnte gar nicht anders. Er hatte tatsächlich die Initiative ergriffen, um sich zu versöhnen, das hieß doch etwas oder nicht? Schnell schüttelte ich den Kopf. Diese schrecklichen Stimmungsschwankungen, die er in mir auslöste, brachten mich gehörig auseinander. Ob es ihm auch so ging? Ich wollte ja nichts annehmen, aber wahrscheinlich nicht. Wohl eher war es bei ihm die pure Biologie, die ihm süße Worte entlockten, doch bei mir sah es ein bisschen anders aus. Irgendetwas an ihm zog mich trotz allen Streitereien in den Bann. War das Verliebtheit? Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse.

Ich versuchte, meine Hausübungen zu machen. Versuchte. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu seinen Worten. Er wollte mich besser kennenlernen, solange der Wahnsinn noch nicht begonnen hat. Diese Worte ließen auch als Erinnerung mein Herz etwas höher schlagen und ich umfasste meinen Stift fester. Ein Knacken ertönte, als der Widerstand plötzlich nachließ und mit geweiteten Augen musterte ich die beiden Kugelschreiberhälften in meiner Hand. Blaue Tinte verbreitete sich darauf aus. Ich blinzelte und stieß ein Seufzen aus. Anscheinend war ich so in Gedanken versunken gewesen, dass meine Kräfte kurz außer Kontrolle geraten waren. Das durfte nicht nochmal passieren. Ich presste die Lippen aufeinander und stand auf, um schnell ins Bad zu eilen, um mich um das Disaster zu kümmern. Hoffentlich blieb kein Fleck zurück.

Natürlich blieb ein Fleck zurück. Mit einem Schnalzen musterte ich diesen ein letztes Mal, ehe ich den Ärmel darüberschob und mich meinem Handy widmete. Alon hatte anscheinend geantwortet.

(Das ist vorteilhaft. Habe mit Melody über das Ganze nochmal diskutiert und sind zum Entschluss gekommen, dass wir erstmals alles über diese Prophezeiung in Erfahrung bringen sollten. Vielleicht kriegen wir so Anhaltspunkte. Du müsstest dazu deinen Loverboy fragen.)

Oh nein. Meine Hand verkrampfte sich und ich ließ mein Telefon sinken. Schon jetzt wusste ich, dass mir diese Idee nicht gefiel. Ich wollte Caspian nicht noch tiefer in mein persönliches Schlamassel hineinziehen, doch blieb mir überhaupt eine andere Wahl?

꧁soundless snow꧂Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt