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Ich verstand endlich, weshalb das Zentrum der Macht das Zentrum der Macht war und weshalb es als so besonders angesehen wurde. Weißer Marmorboden, der so blank geputzt war, dass ich mich darin spiegelte, hohe Wände und kristallene Kronleuchter. Bedienstete in schwarzen Uniformen huschten umher und ich schob die Unterlippe vor, sie mussten eine Menge zu tun haben. "Anastasia, komm, Liebes, da vorne ist schon der große Saal und der Hauptort, wo der Geburtstag gefeiert werden wird.", riss mich mein Vater aus den Gedanken und ich folgte ihm.

In den Saal hätten sicherlich mehrere Blauwale gepasst, nur, dass sich keine Blauwale darin befanden, sondern Massen an Menschen. Eine Welle an den verschiedensten, süßen Parfums brach auf mich ein und für einen Moment starrte ich einfach nur das Meer aus bunten Stoffen und glitzernden Schmuck an, welches sich unaufhörlich hin und her wog. Klar, welches Meer stand schon still, das Wasser war immer in Bewegung. Ich blinzelte und folgte schnell meinen Eltern, die anscheinend genau wussten, wo sie hinmussten. Oder zumindest mein Vater.

Bald schon hatte ich es aufgegeben, zu zählen, wie oft ich irgendwelchen Kollegen meines Vaters vorgestellt und wie oft ich von entzückten Müttern als hübsch und so unglaublich liebreizend, nur etwas still, bezeichnet wurde. Wahrscheinlich war meine eigene Mutter unter ihnen, jedenfalls war ich froh, dass sie und mein Vater keine Probleme hatten, sich sozial zu verhalten und normale Konversationen zu führen. Ich hatte auch aufgegeben, sie im Auge zu behalten, in den Unmengen von teuren Ballkleidern war es fast unmöglich. Einige Jungen boten mir ihre Hand an, zu tanzen, doch ich lehnte jedes Mal höflich, aber bestimmt ab. Zumindest klang für mich ein simples nein, danke, ziemlich höflich.

Mein Kopf sagte mir sehr klar, dass ich nicht die geringste Lust hatte, noch länger zu bleiben, und nun musste ich nur noch meinen Verstand überzeugen. Mein blöder Verstand, der mir sagte, dass ich vielleicht doch nicht so früh gehen sollte, vor allem, da diese Festlichkeit doch größer war, als ich eingeschätzt hatte und ich meine Eltern nicht enttäuschen wollte. Unbemerkt schlüpfte ich aus dem Hauptsaal hinaus und ein leises Piepen ersetzte den Lärm und die Orchestermusik, welches leiser wurde, je weiter ich mich entfernte. Die Bediensteten schienen mich gar nicht zu beachten, was kein Wunder war, immerhin warteten die großen, hungrigen Wölfe auf sie, oder besser gesagt das, was sie in den Händen hielten. Ich wich dem immer dichter werdenden Strom aus, als ich hinter mir zwei Diener flüstern hörte. "Der König und sein Sohn werden jeden Moment erscheinen, und in diesem Moment soll er seine Prinzessin finden. So wird es zumindest gesagt."

Keine Sekunde später ertönte ein gedämpftes, aber trotzdem lautes Jubeln und Applaus. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie laut es im Saal sein musste, es müsse so klingen, als würde der Himmelsgott höchstpersönlich den Saal unter lautem, grollenden Donner erzittern lassen. Ich war wie eingefroren und kurz kam das laute Piepsen zurück. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, die Welt schien stehen zu bleiben, doch als sie wieder begann, sich zu drehen, hastete ich schnell weiter. Irgendetwas sagte mir, dass ich mich schnellstmöglich entfernen sollte, zurück in mein schützendes Zimmer, wo ich das Kleid von meinem Leibe streifen konnte und stattdessen einen großen Pulli überziehen konnte. Oder in den Wald.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now