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Ich konnte gar nicht schnell genug losfliegen. Mit einem leisen Aufjauchzen zischte ich durch das Fenster, hinter mir wurden energische, brüllende Männerstimmen laut. Noch nie hatte mein Herz so schnell geklopft, als die klirrend kalte Luft meine freie Haut berührte und meine Glieder ganz weich vor Erleichterung wurden. Fast hätte ich laut aufgeheult, stattdessen schlang ich meine Arme fester um die dürre Gestalt des Mädchens. Ich sollte mich beeilen, sie trug nur eine Veste und lange Jogginghosen. Wenn sie zu stark auskühlte, hatte ich ein Problem.

Die Flucht trieb mir Tränen in die Augen, so schnell flog ich mich. So frei hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich fühlte mich wie ein Vogel, der seinem erdrückenden Käfig entkommen war und endlich wieder die Flügel ausbreiten konnte, getrieben von der Angst, doch noch gefasst zu werden. Vielleicht machte mich das Adrenalin wahnsinnig, denn ich fühlte mich sehr am Rand der Euphorie. Ein Glucksen drang über meine Lippen und ich sah unter mir die Häuser vorbeiziehen. Mein Herz war das Einzige, was mich noch erinnerte, dass ich nicht übertreiben sollte, es klopfte aufgeregt in meiner Brust. Ich hatte das Unvorstellbare geschafft. Die Methode wollte ich vorerst lieber nicht hinterfragen.

Als ich mein Haus sah, hatte sich das Adrenalin wieder halbwegs gesenkt und mein Puls sich beruhigt. Schnaufend landete ich mit den Schuhen auf dem zugeschneiten Steinweg, der zur Haustür führte. Hinter den Fenstern brannte Licht. Ob Alon Forrest bereits angekommen war? Mit letzter Kraft drückte ich das blonde Mädchen an mich und schleppte mich mit schweren Schritten zur Haustür, um gegen das gefrorene Holz zu klopfen. Sofort ertönten Schritte im Inneren, und Stimmen wurden laut. Ein Eisbrocken fiel mir vom Herzen, als ich auch die von unserem Herbstjungen ausmachen konnte, der Mondgöttin sei dank.

Drei hyperbesorgte Gesichter tauchten im Türrahmen auf, eines davon wich der absoluten Fassungslosigkeit. "Du hast also nicht gelogen." Ich bedachte ihm mit einem ärgerlichen Blick. "Natürlich nicht, ich lüge nie. Kann mir mal jemand sie abnehmen, ich glaube, wir müssen sie unbedingt aufwärmen, ihr Körper ist bereits recht kalt.", kommandierte ich und mein Vater nahm sie aus meinen Armen, um sie ins Wohnzimmer zu bringen, meine Mutter im Schlepptau. Mit einem Seufzen stapfte ich in den Eingangsbereich und schloss die Tür, um ja keine warme Luft entweichen zu lassen. "Ich habe viele Fragen.", kommentierte Alon mit trockener Stimme und verschränkte die Arme. Ich zog mit letzter Kraft meine Stiefel aus, weshalb mussten diese Dinger auch so fest sitzen?

"Ich weiß, dass du viele Fragen hast, die habe ich nämlich auch. Zuerst will ich aber eine warme Dusche und mein Bett, vielleicht auch einen Tee und Kuchen. Oder noch besser, du kannst deine Kekse als Bestechungsmittel verwenden, nur dann bin ich gewillt, zu sprechen.", antwortete ich und wir lächelten uns schief an. "Schön, dass du noch deinen grottenschlechten Humor hast, heißt ja irgendwie, dass es dir doch mehr oder weniger gut geht. Hab gedacht, du kommst nicht, weil dein heißer Alpha dich gerettet hat und nun ein Wörtchen mit dir sprechen will.", neckte Alon und wackelte mit seinen Augenbrauen, sodass ich mein Gesicht verzog. "Dein grottenschlechter Geschmack in Sachen Romantik ist ja noch schlimmer als mein grottenschlechter Humor. Außerdem habe ich gerade keine Lust auf unsere launische, wandelnde Heizung.", erwiderte ich. "Also gestehst du, dass er heiß ist?" "Vielleicht." "Dann lass ihn doch bei euch einziehen und ihr müsstet nie wieder Heizkosten zahlen müssen."

꧁soundless snow꧂Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt