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Als es Zeit war, zog Alon mich in mein Zimmer, um meinen Schlafanzug in etwas Praktischeres einzutauschen. "So, Miss Agent, lass uns mal sehen..." Er riss die Türen meines Schrankes auf und begann, in meinen Klamotten zu wühlen. Ich wich weichen, fliegenden Geschossen aus, die schließlich auf meinem Bett landeten. Oder auf dem Boden, wenn sie Pech hatten. "Du hast ja gar keine schwarzen Sachen!", rief der Suchende aus und wirbelte mit in die Hüften gestemmten Händen herum, um mich anzufunkeln. Ich hob einen Pulli vom Boden auf und beförderte ihn auf die Bettdecke. "Ist das so schlimm?", rief ich zurück. "Ja! Wie sonst willst du beim reizenden Onkel deines Gefährten einbrechen? Wie eine pastellpinke Fee, die herum schwebt, ihren Glitzerstab wedelt und die Gegner durch ihren Glitzerstaub zum Niesen bringt?", klagte er und ich stemmte ebenfalls die Hände in die Hüfte. "Genau!" Alon entfuhr ein ungläubiges Lachen. "Warte nur, bis ich dich habe und dir eine Abreibung verpasse. Bis dahin kannst du einen meiner Hoodies haben.", murrte er.

Uns entkam beiden ein gackerndes Lachen, als wir mich betrachteten. Rosafarbene Plüschhose, ein schwarzer Hoodie mit dem gefetzten Logo einer Heavy Metal Band auf dem Rücken und eine feine, pastellfarbene Handtasche, vollendet mit Turnschuhen. "Ich glaube, du musst gar nicht mehr Glitzerstaub einsetzten, deine Gegner werden vor Lachen umfallen!", prustete Alon und zog sein Handy hervor, um ein Foto zu schießen. "Halt stopp!", quietschte ich, ehe ich an seine Seite hechtete und das Gerät aus seinen Händen schnappte. "Du bist wie meine Mutter!", bekräftigte ich nörgelnd und legte es neben meine Kleidung aufs Bett. "Ach Liebling, du siehst wundervoll aus, so kreativ! Lass mich Oma Sieglinde ein Foto per Post schicken!", nahm Alon auf und grinsend drehte ich mich im Kreis, ehe ich einige Posen versuchte. "Ja, komm, ein weißer Hintergrund, stell dich vor den Kleiderschrank." Lachend folgte ich seinen Anregungen. "Du bist unverbesserlich." "Du auch.", erwiderte er schmunzelnd. Wir grinsten uns an. "Versprich mir, dass du mir Kekse backst, wenn das alles vorbei ist." Mein bester Freund nickte enthusiastisch.

Zum Abschied schloss ich Alon und Melody in die Arme, Mark nickte ich nur mit einem unbeholfenen Lächeln zu, woraufhin er umständlich den Daumen in die Höhe hielt. "Viel Glück bei Operation Mond.", meinte er und ich atmete tief durch, ehe ich die Klinke der Haustür herunterdrückte. "Werde ich brauchen.", murmelte ich mir zu.

Es war ein Wintertag wie jeder andere. Der pfeifende Wind empfing mich und umspielte sogleich meine Ohren, als ich an die frische Luft trat. Mit einem Klacken fiel die Tür hinter mir ins Schloss, welches anschließend einrastete und ein Schlüssel mehrmals umgedreht wurde. Tja. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit zusammengekniffenen Augen fischte ich in der Jackentasche nach meinem Handy. Er hatte mir die Adresse geschickt, gestern Abend schon. Da war ich aber noch zu nervös gewesen, um sie mir herauszusuchen. Zwar klopfte mein Herz noch immer schneller als sonst aber heute lauschte ich dem dumpfen Pochen mit einer komischen, inneren Ruhe, bis es zu einem Geräusch im Hintergrund wurde.

Die Adresse gab ich im Handy ein und trat hinter einen Busch im Vorgarten, nachdem ich die Route beäugt hatte. Wie ging das jetzt nochmal mit dem Unsichtbar-Machen? Kitschigerweise schloss ich die Augen und ließ meine Arme auf die Seiten fallen. Tiefes Durchatmen schien Wunder zu erweisen. Die Kraft in mir begann, sich durch meine Glieder zu arbeiten und jeden einzelnen Zentimeter abzutasten, ehe sie sich an jedem Faser meines Körpers niederließ und mit meinem Herzen im Einklang pulsierte. Mir wurde wärmer. Probehalber öffnete ich das eine Augen, dann das Andere, dann blickte ich an mir herab. Ich war einfach weg. Kranke Sache. Naja, solange das geklappt hat kann es wohl leider übel losgehen.

꧁soundless snow꧂Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt