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Melody. Beim Sommer hatte ich gerechnet, eine warme, immerzu fröhliche Person vor mir zu haben, aber wenn ich ihre verengten Augen, die zusammengepressten Lippen und die verschränkten Arme besah, wurde diese Erwartung recht schnell zunichte gemacht. Ich schob mir einen Keks in den Mund und der perfekte Geschmack nach Weihnachten explodierte in meinem Mund. Mit einem Lächeln nickte ich Alon zu, der breit grinste und sich über das herbstbraune Haar strich, welches eher einem Vogelnest ähnelte als einer Frisur.

"Warum habt ihr mich gerettet? Wie habt ihr mich überhaupt gefunden?", unterbrach Melody und ich blinzelte sie an, als sei sie ein Alien. Sie hatte uns angesprochen. Das war ein massiver Fortschritt. Also begann ich, die ganze Geschichte zu erzählen.

"Es gibt also eine Spionin in unserer Klasse.", beendete ich und Alon nickte bekräftigend. "Krass, nicht wahr? Ich habe anfangs gedacht, unsere liebste Anastasia macht Scherze. Dann habe ich es aber gelassen, weil mir eingefallen ist, dass sie davon nur wenige macht, weil sie ein Stein ist. Und wenn, dann sind es Schlechte.", fügte Alon hinzu und ich bedachte ihn mit einem scharfen Blick. "Hast du das gesehen? Sie ist richtig gut darin, da kriege ich fast schon eine Gänsehaut!", krähte der Junge ungestört. Als er meinen verengten Augen begegnete, zuckte er nur mit den Schultern und... Grinste. Ein widerwertiges, schelmisches Grinsen. Wenn er keine Kekse an mich verfüttern würde, dann hätte ich ihm bereits eines ausgewischt. Und zwar eine Zimtschnecke direkt vor seinen Augen essen! Ach, ich war wirklich zu böse.

Das fremde Mädchen stieß ein raues, etwas heiseres Lachen aus, was eigentlich so gar nicht zu ihrem zarten Aussehen passte. "Ihr scheint bereits ein eingespieltes Team zu sein. Bin ich nicht ein Rad zu viel am Wagen?", murrte sie und meine Augenbrauen hoben sich. Fast hätte ich aufgelacht. Aber nur fast. "Hätten wir dich eher in diesem Loch verrecken lassen, wo sie nur zu dir kommen, um dich wie eine Ratte zu füttern? Es tut uns wahnsinnig leid, wenn dem tatsächlich so ist, dann würden wir dich natürlich zurückbringen. Du wirst eh schon zutiefst vermisst. Zwar steht es noch nicht in der Zeitung, da sie deine Identität wegen dieser bösen Organisation nicht lüften können, aber so manche Vögelchen können schön singen.", entgegnete ich mit ruhiger Stimme und ignorierte den Ellenbogen, der in meine Seite stieß. Zwar hatte ich die Katze aus dem Sack gelassen, doch was sollte es schon. Ich erwiderte den Blick, der von den geweiteten Augen zu mir glitt und der Mund, der anscheinend nach Worten suchte. Sie schloss ihn schließlich.

Betroffene Stille breitete sich im Zimmer aus und ich seufzte schließlich. Schuldgefühle überkamen mich. „Hör zu, wir sind wirklich auf deiner Seite, unser Leben ist ebenso in Gefahr wie deines. Wir verstehen aber auch, wenn du nicht bei uns bleiben willst. Sag uns die Telefonnummer oder Adresse deiner Eltern und wir bringen dich so schnell, wie es eben geht, zurück, in Ordnung?", schlug ich vor, doch ich bekam für die ersten Sekunden keine Antwort. "Du kannst auch noch eine Nacht darüber schlafen, meine Mutter kommt erst übermorgen nach Hause.", fügte Alon hinzu und ich nickte bekräftigend.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now