Kapitel 7

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Ich erwidere darauf nichts. Nichts, weil mir kein einziges Wort einfällt. Nichts, weil er mich verlegen macht und ich deshalb den Blick zu meiner Suppe schweifen lasse, die meinen Hunger stillt. "Du kennst mich doch nicht", murmele ich dann doch. Woher will er wissen, dass er genau so eine Frau wie mich haben möchte? Ich kann mit meiner rechthaberischen Art extrem nervig sein und verliere manchmal die Geduld, egal wie gefasst ich bin. "Ich lerne dich gerne kennen. Du interessierst mich. Du bist kampflustig, intelligent und bildschön. Das sind doch drei gute Punkte, um eine Frau kennenzulernen. Immerhin bin ich im heiratsfähigen Alter." Hm. Ich weiß ja nicht. "Wie alt bist du denn?" Dass ich das nicht schon vorher gefragt habe. "27, Schneeflocke." 27. Er sieht viel jünger aus als ein Mann, der langsam auf die 30 zugeht. Immerhin hat er gute Gene. Vier Jahre Altersunterschied. "Wirst du dieses Jahr noch 28?" "Nein, ich bin am 1.1. erst 27 geworden." "Ist das wirklich dein Geburtsdatum oder nur auf dem Pass?" Meine Frage scheint ihn zu belustigen, so wie seine Augen mich ansehen und seine Augenbraue hochgeht. Nur schmunzeln tut er minimal. Ich habe immerhin genug Familienmitglieder, die dieses Geburtsdatum auf ihren Pässen tragen. "Ich bin hier geboren. Alles echt." Es wird still. Ich fühle mich ein wenig komisch, alleine die Suppe zu vertilgen. "Wieso hast du keine Suppe?" "Ich weiß nicht. Teilst du deine mit mir?" Ich schiebe die weiße Schüssel sofort vor. Es ist sein Haus und sein Essen. Von mir aus kann er alles haben, aber er hebt nur ablehnend die Hand. "Iss, alles gut." "Wirklich nicht?", hake ich nach. Ich weiß nicht, wie sein Energiebedarf ist, aber wenn er groß ist, wird er sicherlich mehr Energie verbrauchen und demnach mehr essen. "Wirklich nicht, Schneeflocke. Iss die Suppe, dann können wir weiterreden."

Ich würde mich ja gerne nur darauf konzentrieren, aber die Stille macht mich verrückt, genau wie sein Starren. Er soll mich nicht beim Essen beobachten. Ich hasse es, wenn ich esse, aber mein Gegenüber nicht. "Kannst du nicht wenigstens ein paar der Snacks zu dir nehmen?" "Stört es dich, wenn ich nichts esse, Schneeflocke?" "Ich hasse es, wenn nur ich esse, mein Partner aber nicht." Seine Augenbraue hebt sich und schon wieder zuckt sein Mundwinkel so amüsiert. Was denn? Ich schüttele fragend meinen Kopf. "Dein Partner also. Das gefällt mir. Du hast mir soeben den Tag versüßt, Schneeflocke." Er ist so ein Schleimer! Ich murre leise, lasse mir aber weder die Hitze noch die Verlegenheit anmerken. Stattdessen esse ich weiter meine Suppe. Ich will aber nicht zu viel davon essen, damit ich den Dönerteller komplett aufessen kann, aber die Linsensuppe ist echt verdammt gut. Ich bin so verdammt hungrig, dass ich die ganze Zitronenscheibe ausquetsche, sie unter die Suppe rühre und die Schüssel auf meinen Mund ansetze. Ich habe heute überhaupt nichts Richtiges gegessen und habe solchen Heißhunger. In binnen von Sekunden ist die ganze Schüssel leer und ich zum Teil befüllt. Das tat gut. Ich seufze, als ich mich zurücklehne. Seine Augen liegen zufrieden auf mir. Das kleine Zucken seiner Lider verrät mir sein Amüsement. "Du scheinst ziemlich hungrig zu sein, Schneeflocke. Ich lasse dir das Essen so schnell wie möglich bringen." Und damit erhebt er sich. Ich würde eigentlich etwas dagegen sagen wollen, aber ich bin von seiner Mühe echt ein wenig ... angetan. Ich senke so lange meinen Blick. Mein Messer liegt auf meinem Schoß. Ich könnte es wegpacken, aber ich will es ihm nicht zu einfach machen.

Ich schaue nach links zum offenen Wohnzimmer. Der große Plasmafernseher ist an der Wand montiert. Ich mag die Steinwand dahinter und die hervorstehende Säule neben der schwarzen, mittigen Couch, die an die Wand gerichtet ist. Darüber ist ein schöner goldener Spiegel und links und rechts sind jeweils ein weiteres Sofa. Wieso so viel? Es sind auch viele Stühle hier. Hat er eine große Familie? Wie viele Brüder und wie viele Schwestern? Wie sind seine Eltern? Gott, ich will sie alle gar nicht kennenlernen. Ich hasse es, neue Menschen kennenzulernen. Hoffentlich hat er keine allzu jungen Geschwister. Er weiß ja immerhin, dass ich Kinder hasse. Als er wiederkommt, hat er zwar kein Essen dabei, aber ein neues Glas mit Eiswürfel. Er hat schöne Hände. So gepflegt. Und das Glas ist auch schön. Es hat schöne kristalline Verzierungen am Boden. "Es dauert nicht mehr lange. Verzeih mir." "Passt schon." Ich will kein Theater deshalb machen. Immerhin kriege ich das, was ich will. Nur verstehe ich nicht, wieso er immer noch neben mir stehenbleibt. Ich schaue fragend zu ihm hinauf. Was will er? "Willst du dich nicht setzen?" Ich zeige nachträglich mit dem Messer auf seinen Stuhl. "Darf ich dir auch Fragen stellen?" "Nachdem ich fertig bin, vielleicht." "Vielleicht?" Seine Augenbraue hebt sich amüsiert, aber seine Mundwinkel verlassen nie den kleinen Spielraum. Keine Ahnung, vielleicht will er Lachfalten vorbeugen. "Ja. Primär sind wir hier, um meine Fragen zu beantworten. Der Rest kann verhandelt werden." "Ich mag deine Kompetenz, Schneeflocke. Du wärst eine gute Geschäftsführerin." Und damit macht er sich wieder auf seinen Platz. Wie elegant er doch läuft und trotzdem so lässig.

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt