Kapitel 20

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Ich realisiere erst jetzt wieder, wie schwer es doch sein wird, mich bei ihm fallen zu lassen, egal in welchen Zuständen er mich schon gesehen hat. Der Moment im Aufzug hat klar bewiesen, dass ich noch kein komplettes Vertrauen zu ihm habe und ob das so gut ist oder nicht, sei dahingestellt. "Ich lasse dir Frühstück bringen, okay?" Mir egal. Hauptsache, die Lage wird nicht noch unangenehmer als sie schon ist. Er greift schon nach seinem Handy, als ich zum Sprechen ansetze. "Frühstückst du nicht mit?" Ich will nicht alleine essen. "Ich habe schon gefrühstückt." Oh. Schade. "Geht gar nichts mehr in deinen Magen?", hake ich nach. Es gefällt mir überhaupt nicht, alleine zu essen, wenn noch eine andere Person im Raum ist und diese nichts zu essen bei sich hat. Sein Blick gleitet kurz auf sein schwarzes Handy und wieder zu mir, ehe er mir sanft zunickt. "Für dich alles, Schneeflocke." Ich lächele sanft, wenn auch ein wenig verlegen. Eine Hand von Azad gleitet in die vordere Tasche seiner Anzughose, die andere hebt das Handy zum Ohr für die Bestellung und seine Augen liegen nach wie vor auf mir. "Zahra, gib bitte den Auftrag für ein Frühstück auf. Schnell. Helal. Für zwei Personen bitte. Nimm die Cateringfirma von letztens." Zahra also. Hm. Ich lehne mich zurück, trinke einen weiteren Schluck. "Gut, danke." Immerhin ist er nett zu seinen Mitarbeitern. Das Handy wird weggesteckt. "Es sollte nicht mehr als eine halbe Stunde dauern. Ist das in Ordnung?" Ich nicke.

"Hast du dir nichts mitgenommen, um dich zu beschäftigen?" Oh, das habe ich vergessen. Ich hätte wirklich endlich mal mit einem der über 40 ungelesenen Bücher anfangen können. Aber stattdessen kann ich mir anschauen, was es für neue Bücher gibt, die ich wieder in meine Liste packen. Immerhin ist jetzt das neuste Buch von Helan draußen und ich muss es haben. "Hab es vergessen." "Hast du ein Bestimmtes, was du lesen möchtest?" "Ich habe zu viele ungelesene, aber ich kaufe mir immer mehr." Ich muss wegen dieser schlechten Eigenschaft lächeln sowie er. "Ich kann jemanden zur Buchhandlung schicken, wenn du mir einen Titel geben kannst." Das ist nett, aber ich winke ab. Noch mehr ungelesene Bücher kann ich nicht gebrauchen. Außerdem bin ich gerade sowieso nicht in der Stimmung, um zu lesen. "Passt schon. Später vielleicht." Er nickt. "Gut. Ich muss ein paar Dinge erledigen. Du kannst trotzdem gern mit mir sprechen, während ich arbeite." Azad geht zu seinem Schreibtisch, fährt den Laptop hoch. Der Computerbildschirm scheint aktuell nicht benutzt zu werden. "Trinkst du keinen Kaffee?" "Nicht wirklich", antwortet er. Gar nicht typisch für einen Chef. "Wieso ist dein Sitz nicht ganz oben?" "Weil ich nicht der Chef aller Chefs bin, Schneeflocke. Mein Großvater, dann seine Söhne, also auch mein Vater und dann wir Söhne. Du wirst hier überall Leute aus meiner Familie finden. Suzan steigt nach ihrem Studium auch ein." Suzan ... wer war noch mal Suzan? Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich nicht weiß, wer von den ganzen Frauen noch einmal Suzan war. "Was studiert sie?" "Wirtschaftspsychologie." Ah. Passend, um die Firma zu unterstützen.

"Und du bist der Chef der Abteilung hier?" "Richtig. Medizintechnik." "Und dein Zwillingsbruder?" Dann kann ich ja Dijan mehr Informationen geben, wenn sie sich welche wünscht. "Management. Er redet viel und gern." Dachte ich es mir schon. "Macht er Frauen gern schöne Augen?", hake ich voreingenommen nach, woraufhin sich seine Augenbrauen überrascht heben. "Spielst du auf deine Freundin an?" "Ich spiele auf den Schutz meiner Freundin an", korrigiere ich ihn. Er wird nicht erfahren, dass Dijan eventuell an seinem zweieiigen Bruder interessiert ist. Mein schwammiges Ablenkungsmanöver ruft Verwirrung auf seinen glatten Zügen hervor. "Wie ist das gemeint?" Beantworte einfach die Frage. "Macht er sich hin und wieder mal an Frauen ran?" Mir reicht es schon, wie er sich über seine Unterlippe leckt. Aras' süffisantes Grinsen und seine kleinen Aktionen gestern waren zwar sehr unterhaltsam, aber sie wirkten auf mich ein bisschen großspurig. Ich habe keine Lust, dass Dijan eine weitere Enttäuschung durchlebt. "Kann schon sein." Ich verdrehe meine Augen. Dijan kriegt Aras-Verbot. "Dann soll er meine Freundin nicht so anstarren", erwidere ich patzig. "Ich gebe mein Bestes, es ihm verstehen zu geben, aber Aras ist nun mal Aras und wenn er eine Frau findet, die ihm gefällt, lässt er seine Kompetenzen spielen." "Ist meine Freundin irgendein Abkommen oder was?", blaffe ich. Am besten schreibe ich Dijan, dass sie bei dem anderen blauäugigen Mörder aufpassen soll. Wehe du fängst was mit Aras an!, schicke ich ab.

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt