Kapitel 50

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Es vergehen viele Tage und schon wieder sind Azad und ich dabei, ein gutes Eis mit Kaugummigeschmack zu finden. Da wir dieses Mal eine Prävention für seine Magenschmerzen schaffen wollen, haben wir Dilnia ganz viel Eis versprochen. Zwar ist er nicht mehr im Home-Office, dafür sind sonntags öfter mal dubiose Herrschaften im Haus, die dann im Wohnzimmer mit Azad und seinen Brüdern sitzen und reden. Ich verschanze mich dann immer oben, weil ich keinen Bedarf habe, bei diesen Mafiagesprächen dabei zu sein. Azad hält es auch für besser, wenn ich nicht dabei bin, also muss ich nichts tun. Nur können die Typen auch ruhig seltener kommen. Ich habe keine Lust auf sie. "Weißt du, was ich mir bestellt habe?", fragt er mich, nachdem er einen Löffel Eis Nummer 2 gekostet hat. "Nein", erwidere ich. "Krawatten." Als hätte er nicht genug davon. Ich verdrehe meine Augen. "Frag mich, was für Krawatten." "Was für Krawatten, Opa?" "Lila Krawatten." Oh ... er ist ein wahrer Romantiker. "So trage ich die Farbe meiner Schneeflocke immer nah an meiner Brust", grinst er. Süß. Sehr süß. Ich kann nicht anders, als sein Grinsen zu erwidern. Mein Blick senkt sich verlegen auf mein Eis. "Du siehst heute besonders hübsch aus. Dein Haar ist gewachsen. Dir steht es, sie zu glätten und mit den Creolen sticht das Braun deiner Haare hervor." Alter Schmeichler. Ich habe mich die letzte Zeit wieder danach gefühlt, meine Haare glatt zu tragen und auch etwas vom geschenkten Goldschmuck.

"Willst du mir eigentlich erzählen, was dich bei Aras' Besuch bedrückt hat?" Mein Lächeln nimmt ab. Er hatte einige Male nachgefragt, aber ich dachte, wir belassen es dabei. Mein Problem ist es, dass ich nie oder selten über meine Gefühle reden kann. Ich möchte nicht, dass man mich so schwach sieht. Ich wollte das nie. Meine Mutter ist das genaue Gegenteil. Sie weint sofort los und scheut sich nicht, die Tränen zu vergießen, wenn sie über etwas spricht, was sie bedrückt oder verletzt, aber ich bin da völlig anders. Ich kann das nicht. Vor allem, weil dann meine Stimme schnell nachgibt. "Passt schon." "Avin", setzt Azad flehend an und beugt sich vor, um meine Hand zu nehmen. Dieser flehende Blick macht mich zwar schwach, aber ich schaffe es trotzdem nicht, ihm die Antwort zu geben. "Rede mit mir. Sprich mit mir über deine Sorgen. Hat er etwas gesagt?" Nicht so, wie du es dir vorstellst. Das vergeht schon. Es ist nur eine kleine Sache, mehr nicht. "Komm her." Ich lasse mich zu ihm auf seinen Schoß ziehen. Wenn er nur wüsste, wie gut diese Umarmung tut. Ich möchte gar nicht mehr loslassen, als ich meine Arme um seinen Nacken schlinge. "Bedrückt es dich immer noch?" Ich verneine es kopfschüttelnd. Ich möchte gar nicht mehr darüber nachdenken und davon sprechen ... wobei ich nie darüber gesprochen habe. "Wann wollen wir in die Schweiz?" "Lenkst du gerade vom Thema ab?" "Spielt keine Rolle." "Doch, deine mentale Gesundheit spielt eine enorme Rolle." "Passt schon", murmele ich gegen seinen Hals.

Er seufzt. Ich verstehe ihn ja, aber mich überkommt nicht der Wille, darüber zu sprechen. Es ist, als würde etwas in mir, mich davon abhalten wollen. "Schneeflocke, wann schmilzt du endlich?" "Gar nicht." "Das stört mich." Kann ich verstehen. Nur wage ich es zu bezweifeln, dass ich es ablegen werde. "Das behindert unsere Beziehung nicht." "Ich will dich kennen. In- und auswendig. Das geht aber nicht, wenn du dich vor mir versteckst." "Tue ich nicht." "Du schaust mich nicht einmal an, während du das sagst." Das stimmt. Aber das liegt daran, dass es sich gerade so gemütlich in seinen Armen anfühlt. "Es ist gerade gemütlich", murmele ich, woraufhin er erneut seufzt. "Hör auf, dich zu stressen." "Ich kann nicht ruhig und entspannt bleiben, wenn meine Frau traurig ist." "Ist sie nicht." "Sie ist konstant mit Negativität belastet. Erzähl mir nichts", entgegnet Azad nun härter. Es prickelt auf meinen Rücken, als ich seine verärgerte Stimme registriere. Seine Hand legt sich auf mein Haar, um mich sanft daran von sich wegzuziehen. Sein Gesicht drückt die Ernsthaftigkeit aus, der ich die ganze Zeit aus dem Weg gehen wollte. "Kannst du mir nicht einmal einen Stichpunkt nennen? Es grob zusammenfassen?" "Belässt du es dann dabei?" "Ja." Ich bereue es, darauf eingegangen zu sein, aber jetzt gibt es keinen Weg zurück. Ich seufze.

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt