Kapitel 25

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"Das ist wirklich dein Eigentum?" Ich ziehe skeptisch die Augenbrauen zusammen, als ich das kleinere, weiße Flugzeug vor mir auf dem Privatplatz erblicke. "Ist es. Mein, dein, unser. Wie du es haben magst." Hm. Ich weiß ja nicht. Der Pilot und die zwei Stewardessen wirken nicht sonderlich gezwungen, hier zu sein. Ihre Begrüßung wirkt leicht, sehr freundlich und routiniert. Ich schaue mich warnend zu Azad um, der gerade dem Piloten seine Hand reicht, den Stewardessen freundlich zunickt und mich dann anlächelt. "Willst du nicht durch?" Sobald wir sitzen und der Flug startet, werde ich ihn mit Fragen durchlöchern. Ich lasse mich auf dem cremeweißen Sitz links am Fenster nieder, schaue misstrauisch auf das riesige Sofa rechts von mir. Fernseher, Kühlschrank. Würde mich nicht wundern, wenn es hier ein Bett gibt. "Hast du hier vielleicht auch ein Bett?", frage ich voreingenommen, als er sich vor mich hinsetzt. "Den Flur entlang. Bist du noch müde?" Hier gibt es tatsächlich ein Bett. "Aber leider kein Ehebett." Vielleicht ist das besser so. "Passt schon", murmele ich. Hier gibt es wirklich ein Bett an Board. Hat er vielleicht auch noch ein Schiff? Eine Insel? "Ist der Jet mit ehrlichem Geld oder mit dreckigem Geld finanziert worden?" "Andere haben Firmenwagen. Ich habe einen Firmenjet." Hm.

Der Pilot begrüßt uns über die Sprechanlage, nennt das Reiseziel, die Dauer und ungefähre Ankunft, woraufhin die Stewardessen mit ihrer einstudierten Demonstration der Sicherheitsbelehrung anfangen. Ich habe die weibliche Stewardess und er den männlichen - zu hundert Prozent so gewollt von ihm. Danach werden wir alleingelassen. Ich kann also mit meinen Fragen beginnen. "Wie viel von dem dreckigen Geld ist in Sachen investiert, die unmittelbar um mich herum sind?" Er nimmt sich aus dem Kühlschrank eine kleine Wasserflasche raus, bevor er mir antworten möchte. Will er Zeit schinden? "Dich trifft kein dreckiges Geld, Schneeflocke. Keine Sorge. Das Geld kommt primär nicht an mich. Ich bin ein Teil der Sache, nicht das Oberhaupt." "Und an wen geht das Geld zuerst?" "An die ältesten der Familie. Meine Großväter, die Söhne und so weiter." Ach, beide Großväter! "Die Familie deiner Mutter also auch?", hake ich mit angezogener Augenbraue nach, woraufhin er einen Schluck seines Wassers nimmt und nickt. "Es war eine arrangierte Ehe, aber beide wollten es." Interessant. Und jetzt führt der Sohn eine arrangierte Ehe mit mir. "Und womit genau verdient ihr euer Geld?" "Waffen", antwortet er, als er seine Flasche wieder ansetzt. "Es sind nicht nur schlechte Sachen, Schneeflocke. Grundstücke, Gold. Es ist dem Staat nur nicht bekannt." Hm. Ich lasse meinen Zeigefinger auf dem glänzenden, hellbraunen Holztisch kreisen.

"Waffen, Gold, Grundstücke. Was noch?" "Meine Onkel hatten Biowaffen in Erwägung gezogen." Biowaffen. Sind die komplett gestört? "Was wisst ihr schon von Biowaffen?", spotte ich. Seine Onkel müssen diese Bakterien und Viren nur einmal falsch anpacken und sie können innerhalb weniger Minuten draufgehen. Die wissen doch nicht einmal, in welchem Sauerstoffmilieu die leben können. Azad hebt abwehrend seine Hände. "Ich hatte nicht den Vorschlag und habe es auch abgelehnt. Mit maschinellen Waffen kennen wir uns aus. Biowaffen sind noch einmal eine andere Schippe. Davor habe ich großen Respekt. Du scheinst dich wohl auszukennen." "Hatte mir überlegt, mich weiterbilden zu lassen und in einem Labor mit Sicherheitsstufe drei oder vier zu arbeiten. Vier wäre der Ort mit den Biowaffen." "Ein beeindruckender Job. Ich bin froh, dass du dich dagegen entschieden hast. Der Beruf einer Ärztin ist zwar voller Risiken, aber ich schätze, wenn man täglich mit Biowaffen arbeitet, wäre es noch einmal riskanter." Sicherlich. Ich kann nichts dazu sagen, weil ich weder das eine noch das andere tue ... noch nicht. Bald darf ich Medizin studieren. Das freut mich. Wenn ich Glück habe, kann ich mich mit Dijan in der Mensa oder in der Bibliothek treffen. Ich freue mich wirklich darauf. Und dann kann ich ihr endlich ihren Lipgloss geben! Ich habe ihn mitgenommen, aber ich werde ihn ihr zurückgeben!

Wenn es eine Sache gibt, die ich mir nicht erklären kann, dann die Tatsache, dass dieser blauäugige Mörder unverschämt gut beim Trinken aussieht. Als würde sein Adamsapfel wissen, wie er sich zu bewegen hat, wenn er schluckt. Und seit wann hat er so schöne Wimpern? Ich senke meinen Blick auf meine Nägel. "Darf ich dir eigentlich Fragen stellen?" Gute Frage. "Von mir aus." "Wie geht es dir?" Oh ... damit habe ich jetzt ehrlich nicht gerechnet. Mein Blick hebt sich, zeigt dieses Mal nicht so viel Härte, als ich ihn ansehe. "Gut ... und dir?" Sein sanftes Lächeln gefällt mir, aber dennoch schäme ich mich ein wenig. "Auch, Schneeflocke. Wie fühlst du dich aber? Vor allem nach gestern und dem Abend nach der Hochzeit. Es war ziemlich viel für dich." Und wie. Ich dachte wirklich, er besteht auf die Hochzeitsnacht. Es wäre die Hölle gewesen, wenn er es gewollt hätte. "Schon", murmele ich. Keine Ahnung, was ich darauf antworten soll. "Du hattest also noch nie eine Beziehung?" Sollte offensichtlich sein. Ich schüttele dennoch den Kopf. "Okay. Hätte ich das gewusst, wäre ich dir nicht zu nahegetreten. Ich tue nichts, was du nicht möchtest. Du möchtest also auch gar keinen Kuss?" "Aktuell nicht, nein." Azad nickt, aber ich merke ihm an, dass es doch ein Tiefschlag für ihn ist. Es wäre sicherlich schön, aber meinen ersten Kuss will ich mit wirklichen Gefühlen haben. "Zumindest nicht auf den Mund", füge ich hinzu. Keine Ahnung, was ich mir dabei denke. Vielleicht ist ein Kuss auf die Wange ganz okay.

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt