Kapitel 42

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"Alles Gute zum Geburtstag, Schneeflocke." Ich kriege einen Kuss auf die Wange von Azad, die schon vom ganzen Lächeln wehtut. Vor mir leuchten die Zahlen zwei und vier aus lila schimmerndem Wachs auf einem Kalter-Hund-Kuchen umrandet von Crispy M&Ms. Auf dem Schokoguss sind sogar kleine Meersalz-Streusel drauf. Azad hat sich gemerkt, dass ich die Kombination aus Schokolade und Salzigem mag und hat damit wahrscheinlich den besten Geburtstagskuchen für mich gebacken. Es ist auch mein erster Geburtstagskuchen. Der erste, wirklich selbstgebackene und der wirklich als Überraschung gilt. Es ist auch das erste Mal, dass ich wirklich deshalb so stark lächele, dass mir die Wangen wehtun. Es ist 00:00 Uhr. Azad ist eigentlich müde und kaputt von der Arbeit, weil er heute noch in die Firma fahren musste und dann noch einmal für ein spontanes Meeting zu einer Firma in einer entfernteren Stadt, aber er ist wach geblieben und hat mir untersagt, die Küche zu betreten. Ich durfte den Kühlschrank nicht öffnen, weil ich sonst den Kuchen sehen würde, den er mir gebacken hat. "Ich wollte die Schokolade eigentlich lila färben, aber ich wusste nicht, ob das klappen wird mit der Zartbitterschokolade." "Passt schon. Sieht gut aus." Ich liebe Kalter Hund. Damit kann man nichts falsch bei mir machen, vor allem, wenn es noch mit Meersalz verfeinert ist.

"Gut." Er fährt mir über mein Haar. Mir gefällt es irgendwie, dass er neben mir steht. Azad ist so ein Workaholic, dass er noch seinen Anzug trägt - übrigens den dunkelblauen Dreiteiler, den ich so sexy an ihm finde, aber ohne Jackett. Dafür mit hochgekrempelten Ärmeln. Das Süßeste ist, dass er heute einen anderen für die Arbeit getragen hat. Er hat sich extra für mich schick gemacht, während ich wieder in meinen helllila Satinshorts und Hemdchen sitze. "Willst du ein Foto mit deinem Geburtstagskuchen?" Ich weiß wirklich nicht, wieso mich das so plötzlich trifft und verstummen lässt. Ich habe schon Fotos von mir als Kind mit einer Geburtstagstorte, aber ... ich ... keine Ahnung. Ich nicke einfach, blinzele gegen die kleinen Tränen, die sich auf meiner Wasserlinie ansammeln und wische sie dann verstohlen weg, als Azad sein Handy hervorzieht und sich gegenüber von mir niederlässt. Auf meinem rechten Jochbein spüre ich noch die Frische der weggewischten Tränenflüssigkeit. Aber das sollte nicht allzu sehr auffallen, zumal ich meine Abendroutine vor vielleicht zehn Minuten beendet habe. Ich weiß nur nicht, wie ich posieren soll. Steif sitzen und in die Kamera schauen, ohne zu lächeln? Ich bin nicht fotogen. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich posieren soll, stütze daher ahnungslos meine Ellbogen auf dem Tisch ab und umrahme mein Gesicht mit meinen Händen. "Genau so! Perfekt! Bleib bitte so." Oh ... okay. Azad lächelt sanft, während er fleißig Bilder von mir schießt und als wäre es eine Kettenreaktion, muss ich deshalb auch lächeln. Es fühlt sich schön an. Es fühlt sich wirklich schön an, Liebe zu bekommen.

"Das wird mein neues Hintergrund- und Sperrbild." Er dreht mir stolz sein Handy zu, um das Foto von mir zu zeigen, auf dem ich lächele. Das ist schön. Ich mag es. Es ist jetzt schon der schönste Geburtstag, den ich je hatte. Die Kätzchen tapsen um uns herum, beobachten dann Azad ganz konzentriert, wie er sich zu mir setzt und zu den Kerzen nickt. "Puste sie aus. Ich will dir ein Stück Kuchen geben." Es fühlt sich verdammt ungewohnt an, Kerzen auszupusten, obwohl es eine so simple Tat ist. Ich kann es nicht mit dem Auspusten normaler Duftkerzen gleichsetzen. Es ist anders. Ein wenig unangenehm, weil ich mir so amateurhaft vorkomme. Das liegt jedoch an meiner inneren Einstellung. Daran, dass ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Ich habe seit Jahren keinen richtigen Geburtstag mehr gefeiert und vor allem keinen Kuchen bekommen. Das hier ist etwas Besonderes. Es ist wie die erste Erfahrung. Es ist bedeutsamer als irgendein vergangener Kindergeburtstag, weil ich diesen Moment hier nicht vergessen werde. Er ist von wesentlich größerer Bedeutung. Azad nimmt die Kerzen raus, platziert sie auf dem Rand zu großen Tortenplatte und legt mir das Messer in die Hand. "Ich hoffe, er ist gut geworden." "Wenn nicht, wird das Messer nicht nur den Kuchen zerteilen." "Nicht doch, Schneeflocke. Wie soll ich die Bauchdecke in Ruhe heilen lassen, wenn ich dann über dich herfallen will bei deinen schönen Worten?" Ich schmunzele verlegen, als ich sein Kinn an meiner Schulter spüre. Idiot.

Durch den Weg deines HerzesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt