Kapitel 16

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A  D  E  L  I  N  E

Der Regengeruch steigt mir in die Nase und lässt mich meine Augen genießerisch schließen, während ich an der wand neben dem Fenster anlehne. Ich lausche ganz leise den einzelnen Tropfen die auf dem Balkon draußen aufprallen und die Blätter, die im Wald neben an durch den heulenden Wind rascheln. Die Sonne ist weit hinter den ganzen dunklen Wolken versteckt, obwohl wir noch früh Mittags haben.

Der Frühling ist meine Lieblings Jahreszeit, abgesehen davon, dass ich mich leider schnell erkälte.

„Aua!", schreit plötzlich Clary, weshalb ich schnell meine Augen aufreiße und zu ihr auf das Bett schaue. Sie hat ihren Zeigefinger in den Mund genommen und saugt leicht dran. Die Nadel hat sie schnell bei Seite geworfen. Besorgt laufe ich auf sie zu und sehe einen Blutstropfen auf ihren Finger.

Leise lache ich auf, da es schon das vierte mal ist, dass sie sich mit der Nadel pickst. „Lass mich doch mal versuchen.", schlage ich ihr vor, allerdings schüttelt sie stur den Kopf.

Sie sitzt schon seit zwei Stunden an dem Kleid, nur weil ich was zu meckern hatte. Als erstes hatten sie mir ein eng anliegendes ziemlich kurzes Kleid gegeben, doch ich weigerte mich strickt. Dann holten sie ein ebenso eng anliegendes Kleid, welches aber sehr lang ist und einen Schlitz am Bein hat. Der Schlitz geht mir aber echt zu hoch, weshalb ich drum gebeten habe, dass man es möglicherweise etwas zunähen könnte und seitdem sitzt Clary konzentriert daran.

Zwei weitere Minuten vergehen in denen ich sie beobachte und dem Wetter mein offenes Ohr voll und ganz hingebe. Wenn mich etwas einigermaßen in dieser Situation beruhigt, dann die Natur.
„Fertig!", ruft Clary und reißt mich somit erneut aus meiner Trance. Sie strahlt und steht vom Bett hastig auf. Sie richtet das Kleid und hält es von oben, damit ich es in Betracht ziehen kann.

Wow...

Es ist wunderschön. Es ist mehr als nur wunderschön.

Das rote Kleid schimmert dank den funkelnden Steinchen von oben bis unten. Es sieht atemberaubend aus. Eigentlich mag ich so eine Art von Kleid nicht, da es sehr auffällig ist und vor allem Trägerlos und sehr viel haut zeigt, doch nun bin ich wieder gezwungen sowas zu tragen. Wieder.

Ich blicke in Clary's Augen, die mir zeigen, dass sie am liebsten das Kleid selber tragen möchte. Unsicher und dennoch erstaunt lächle ich. Ruckartig schmeißt Clary das Kleid auf das Bett, weshalb ich erschrocken die Augenbrauen zusammenziehe.
„Los, Adeline. Wir haben keine Zeit mehr...", rattert sie runter und zieht mich mit in das Bad.

Vor zwei Tagen...

Irritiert und immer noch nichts ahnend runzle ich die Stirn. Mir ist klar, dass Aiden Geld und teure Autos hat. Was bringt es mir aber? Ein gewagter Blick zu dem mir gegenübersitzenden Mann im Jogginganzug, zeigt mir, dass er am nachdenken ist. Allerdings ohne ein Hauch von Emotionen im Gesicht. Stattdessen durchforscht er weiterhin meine Hände, die nun zu schwitzen beginnen.

„Deine Eltern müssen etwas an dir finden, dass Macht und Berühmtheit ausstrahlt, damit sie dir wie verrückt am Hintern kleben.", beginnt es mir Liam ruhig zu erklären und seine Frau führt weiter.
„Und wer kann mächtiger und berühmter sein, als jemand der Aiden Harris als Partner an seiner Seite hat?", beendet sie überzeugt ihren Satz und augenblicklich klappt mir die Kinnlade runter.

Mein Herzrhythmus verdoppelt sich, während sich Schweißperlen auf meine Stirn bilden.

Das meinen sie nicht ernst oder?

Aiden Harris... mein Partner? Das wird mir sowieso niemand glauben. Das ist absoluter Schwachsinn.

Ich schüttle wieder mal mein Kopf, denn das macht alles keinen Sinn. Paar mal hinter einander schlucke ich hastig und versuche ein Satz zu bilden, was mir irgendwie durch den Schock nicht gelingen mag.

Meine Augen huschen zu Aiden, der komischerweise immer noch reglos da sitzt und mich beobachtet. Warum sagt er nicht etwas?

„A-aber ich bin von meiner Familie gegangen, weil ich nichts mit all dem zutun haben wollte... Sie werden mir nicht glauben, wenn ich plötzlich mit einem M-millionären zusammen bin.", versuche ich sie zu überzeugen. Plötzlich antwortet mir aber die tiefe und raue Stimme von Aiden, dabei blickt er mir tief in die Augen.

„Wo liebe ist, wird das Unmögliche möglich."

Jetzt...

„Atemberaubend.", sagt Clary und mustert mich von oben bis unten, während sie die Hände vor dem Mund halt und ihre Augen weit geöffnet sind. Ich allerdings fühle mich mehr als nur unwohl.
Schminke, Kleid, hohe Schuhe, Schmuck... alles was ich hasse.

Na wenigstens haben wir meine Haare so gelassen wie sie sind. Die hübsche Haarklammer mit den glitzernden Perlen, die Clary an der Seite befestigt hat, gefällt mir jedoch.

„Jetzt nur noch Parfüm.", teilt sie mir mit und rennt zum Schminktisch, auf denen mehr als zehn Stück zu erblicken sind. Sie überlegt kurz und schnappt sich letztendlich zwei. Den einen drückt sie mir in die Hand und den anderen sprüht sie sich schließlich selber rauf.

Wenigstens würde sie mit Liam mitkommen und lässt mich nicht mit Aiden alleine.

„Muss das heute sein?", frage ich zum dritten Mal an dem Tag, dabei hört man meine Unsicherheit und Angst deutlich raus. Ich überreiche ihr wieder das Parfüm, nachdem ich mich eingesprüht habe, zwar nicht so viel wie es Clary tat, aber das reicht mir.

Sie seufzt und legt die Parfümflaschen wieder auf den Tisch ab. Clary widmet sich mir und kommt nun näher auf mich zu, in der zeit betrachte ich sie und ich muss ehrlich sagen... sie sieht traumhaft aus.
Liam kann sich echt glücklich schätzen.

Sie trägt ebenfalls ein Kleid. Es ist blau und etwas schlichter als meins, aber sie meinte, dass dies der Sinn der Sache ist. Ich soll auffallen, sonst niemand.
Die Tatsache, dass sie wollen, dass ich dort zwischen den ganzen Leuten raussteche, bereitet mir starke Bauchschmerzen. Ich hasse die Aufmerksamkeit. Sie ist mein Feind und normalerweise geht das jedes Mal schief.

Clary kommt mit ihren eiskalten blauen auf mich zu und hält vor mir inne, sie greift sanft nach meinen Armen und blickt mich starr an. „Adeline, das ist unsere Chance. Auf diesen Event wird jeder da sein, auch deine Eltern und wenn sie dich dann mit Aiden da sehen, dann können wir auch wieder gehen.", versucht sie mich zu beruhigen und ermutigt mich.
Ich werde meine Eltern sehen...

Bin ich denn wieder bereit dazu? Werden sie mich ansprechen oder bin ich immer noch die Tochter von der am besten keiner wissen soll? Wird Kalea auch da sein?

„Wir wollen nur, dass sie euch sehen, mehr auch nicht.", fügt sie hinzu, macht es aber nicht gerade besser. Denn ich will diese Menschen doch nicht sehen. Ich war glücklich, dass ich rein gar nichts mehr mit ihnen zutun hatte und jetzt werde ich in eine Halle gesteckt voller protziger arroganter Menschen, die nichts anderes interessiert außer Geld?

Das laute Klopfen an der Tür weckt mich wieder aus meinen Gedanken und ich schließe für Sekunden die Augen, während Clary ein „Ja, bitte?" von sich gibt.
Hinter der Tür ist Liam's Stimme zu hören.
„Wir müssen los, seit ihr fertig?", fragt er, woraufhin seine bildhübsche Frau mich fragend anguckt und ich ihr nur ängstlich nickend ein „Ja" gebe.

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