Kapitel 18

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A D E L I N E

Oh, nein nein nein!... Ich bin noch nicht bereit.
Die Augen der beiden weiten sich ebenfalls wie auf Knopfdruck. Meine Mutter hebt ihre Hand und tut sie erschrocken auf ihr Mund.
„A-Adeline?", fragt sie stotternd, so als wäre sie sich nicht sicher, ob ich es bin. Daniel allerdings hat wieder sein Pocerface eingenommen, was mich nicht wissen lässt, was er grade denkt.
Doch eigentlich kann ich mir schon vorstellen, was in seinem Kopf gerade vorgeht.

Seine langweilige, beschämende Tochter wieder zu sehen, erfreut ihn sicherlich nicht.

Zu der Frage meiner Mutter, ob ich Adeline bin, gebe ich kein Mucks von mir, woraufhin ich Aiden's Hand kräftiger an meine Hüfte spüre. Schnell nicke ich und blinzle paar mal, während ich merke, wie trocken mein Hals nun wirklich ist.
Plötzlich sehe ich wie die rothaarige Frau vor mir einen Schritt auf mich zu macht und ihre Arme öffnet.

Bitte, bitte nicht!

Hilflos und auch panisch will ich einen Schritt zurücktreten, als ich aber Aiden's Arm spüre, der mich davon abhält und leicht wieder nach vorne drückt, bin ich gezwungen stehen zu bleiben. Meine Mutter schließt mich in ihre Arme.

Wow... Sie schließt mich in ihre Arme?

Innerlich lache ich auf, während ich von außen einfach nur weinen und sie wegdrücken will.
Ein Kloß bildet sich langsam in meinem Hals, als ich hinter meine Mutter Aiden erblicke, der sich etwas entfernt hat und mir nun drohende Blicke schenkt. Seine Augen sagen mehr als tausend Worte und zögernd erwidere ich die Umarmung.
Doch als ich jetzt auch noch das Schluchzen an meiner Schulter höre, kriege ich Gänsehaut.
Pure Gänsehaut.

„Adeline, wir haben dich so sehr vermisst, mein Schatz.", spricht sie und entfernt sich langsam, während sie sich die Tränen wegwischt. Sie hält meine beiden Arme fest und schaut mir tief in die Augen. Wie sehr können Augen denn lügen?
Sie schämt sich nicht einmal...

Oder hat sie mich vielleicht wirklich vermisst?

Ich schlage mir den Gedanken sofort aus den Kopf, als sie weiter zu sprechen beginnt. „Wir haben dich oft versucht zu erreichen, als du in Australien warst. Warum gibst du uns denn nicht Bescheid, dass du wieder hier bist?", lügt sie mir tränend direkt ins Gesicht. Denn ich weiß ganz genau, dass keiner von ihnen sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, mich aufzuhalten, als ich gehen wollte.

Sekunden vergehen und ich bin immer noch still. Wie angewurzelt stehe ich da, voller Schock und voller Emotionen geladen, die ich nicht in Worte fassen kann. Irgendwie bin ich wütend, aber gleichzeitig auch so traurig und den Tränen nahe. Als Aiden es zu bemerken scheint, rückt er erneut ein Stück zu mir, dabei spüre ich seine Hand an meinem Rücken, die mich scharf die Luft einziehen lässt. „Sie wollte euch eine Überraschung machen, meinte sie mir", lächelt er meine Mutter an. Doch ich höre bei deren Gespräch gar nicht mehr zu. Meine Augen sind auf dem Mann vor mir fokussiert.
Auf dem Mann, der mir das Leben zur Hölle gemacht hat und dem ich niemals verzeihen könnte.
Ich sehe den Hass in seinen Augen, den Hass mir gegenüber. Augenblicklich fängt meine Narbe wie aus dem nichts an zu jucken. Sie kribbelt fürchterlich und als seine tiefe Stimme in meine Ohren erklingt, brennt sie plötzlich. Tränen versuchen den Weg nach draußen zu finden, doch ich muss mich zusammenreißen.

„Meine Wunderschöne Tochter... ich hab dich ja kaum erkannt.", sagt er und öffnet ebenfalls seine Arme, als meine Mutter endlich zwei Schritte zur Seite gemacht hat. Ich erzittere bei jedem Buchstabe, dass sein Mund verlässt und wünsche mir so sehr gerade, dass er fern von mir bleibt. Oder am liebsten soll sich der Boden unter mir öffnen und mich einfach nur verschlingen. Als ich seine Arme um mich spüre, ist es schon zu spät und ich kann die ersten Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich schließe die Augen, in der Hoffnung, dass er mich schnellstmöglich wieder loslässt und das tut er auch. Im Moment ist mir Aiden und seine Zornigkeit relativ egal, denn ich spüre Sachen in mir hochkommen, die ich seit Jahren nicht mehr zu spüren hatte. „Oh meine Tochter, weine doch nicht."
Und als wäre es schon nicht schlimm genug, dass er seine Arme um mich hatte, versucht er mir auch noch die Tränen wegzuwischen. Erschrocken halte ich die Luft an und merke, das ich gleich zu husten beginne, da mein Hals vor Trockenheit schon langsam zu schmerzen beginnt. „Hast du uns denn nicht vermisst, mein Schatz?", ertönt die hohe Stimme meiner Mutter erneut, jedoch sehe ich, dass sie sich vor der Antwort fürchtet. Ebenso sehe ich, das nervöse Schielen zu Aiden.

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