Kapitel 49

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A D E L I N E

Enttäuschung. Schmerzliche Enttäuschung.

Ich habe meinen Bruder, um den ich drei Jahre lang getrauert habe, wiedergesehen. Ich sollte mich freuen. Ich sollte wenigstens einen kleinen Funken an Entlastung verspüren. Doch das tue ich nicht.

Nur pure Enttäuschung.

Ich fühle mich erschöpft, als wir das große Haus von Aiden betreten und am liebsten würde ich mich gleich hier auf den Boden hinlegen und meine Augen schließen.

Seine Schritte höre ich dicht hinter mir. Ebenso höre ich Schritte, welche von vorne auf uns zu eilen, bis ich Sophia erblicke. „Da seit ihr ja." Erleichterung ist in ihrem Gesicht abzulesen und ich frage mich wieso. Sophia war sich sicher, dass mir nichts passieren würde. Dies hatte sie versucht mir jedenfalls zu versichern. Weshalb dann die Erleichterung in ihrem funkelnden Blau?

Ich komme vor ihr zum stehen und gerade wo ich mich zu Aiden umdrehen will, läuft er an mir vorbei. „Aiden", rufe ich ihn. Ich trage weder Angst, noch Nervosität in mir. Sein Name auf meiner Zunge ist das einzige, was sich tatsächlich sicher anfühlt.

Der Mann, der sein faltiges Hemd sicherlich mir zu verdanken hat, dreht sich um. Seine Augen glanzlos und weiterhin bedrückt, dabei verstehe ich nicht ganz weshalb. Ist es weil ich wissen wollte, wie und wieso Ethan Rose getötet hatte?

„Könntest du mich nach oben beglei-", „Adeline, für heute reicht es", unterbricht er mich und sieht plötzlich so müde aus. Es ist keine Wut oder Zorn, was seine Worte umhüllt, nein. Es ist Kraftlosigkeit und Flehen?

Er bittet mich darum aufzuhören?

Schluckend mache ich einen Schritt auf ihn zu und ignoriere Sophia, welche die Konversation mit zusammengezogen Augenbrauen beobachtet.
„Ich möchte dir nur etwas erzählen.", erkläre ich ihn. „Ich verspreche dir, ich werde nach nichts mehr fragen.", füge ich hinzu und meine es auch tatsächlich so. Ich schaue ihn bittend an, dabei versuche ich meine schweren und so brennenden Augen so gut es geht offen zu halten, damit ich nicht wie ein laufender Zombie aussehe.

Einige Sekunden betrachtet Aiden mich still, bis er dann nachgibt und nickt. „Sophia, du kannst schon gehen.", sagt er knapp und läuft ohne ihr weitere Aufmerksamkeit zu schenken die Treppen hoch. Langsam folge ich ihn, blicke aber kurz zu der verwirrten Blondine zurück, um ihr ein warmes Lächeln zu schenken.

Aiden's Schritte sind groß und ich muss mich selbst hetzten, um ihn ins Zimmer folgen zu können. Der Mond beleuchtet die Hälfte des Zimmers und weder ich, noch der angespannte Mann neben mir, machen uns die Mühe das Licht anzuschalten.

„Ich habe nicht viel Zeit.", sagt er und steht neben der Tür. So, als würde er bereit sein jeden Moment aus ihr rauszustürmen.

Irgendwie kommt es mir so vor, als würde Aiden mir aus dem Weg gehen wollen. Nicht weil er mich wenig leiden kann oder seinem angeblichen Hass mir gegenüber, nein. Eher spüre ich, dass er mir aus Nervosität ausweichen will. Denn auch wenn ich seinen Ausdruck in dieser angenehmen Dunkelheit nicht ganz deuten kann, weiß ich, dass er mir nicht in die Augen schaut.

Es verwirrt mich. Aiden ist nervös?

Kurz überlege ich doch das Licht anzumachen, um sein Gesicht besser zu sehen. Doch ich entscheide mich lieber für meinen eigentlichen Plan. Ich tapse rüber zu meiner Kommode und hole den ganzen Papierhaufen da raus. Anschließend setze ich mich auf den Boden und lehne meinen Rücken an das Bett an. Das helle Mondlicht, dass durch die Fensterfront direkt hindurchscheint, beleuchtet diesen Teil des Zimmers. Und eigentlich wäre nun der Moment gekommen, wo Aiden fragen sollte, was ich dort treibe. Wenigstens rüberschauen sollte er.

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