Kapitel 56

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A  I  D  E  N

Verärgert schaue ich das zierliche Mädchen vor mir an. Adeline schlägt sich die Hand auf dem Mund und nur gedämpft kann ich den Klang ihres Lachen hören. Ein Klang, welches ich nie zuvor gehört habe. Es hallt in meine Ohren und ohne das ich es bemerke, schlägt mein Herz schneller.

Ich bin nicht ansatzweise so aufgebracht, wie ich tue. Aber jetzt, wo ich dieses wunderschöne Lachen höre und sehe, wie sie sich auf diese verdammt vollen Lippen beißt und grinst, spiele ich gerne den grimmigen. Für alle Zeit der Welt.

„Was ist so witzig?", frage ich und hebe gespielt wütend die Augenbraue. Adeline kann mich scheinbar nicht ernst nehmen, denn anderenfalls, hätte sie sich vor Angst schon in die Hose gemacht.
Der Lockenkopf vor mir presst die Lippen fest aufeinander, um sich ein weiteren Lachanfall zu verkneifen und versucht angestrengt mit mir den Augenkontakt zu halten.

Sie räuspert sich und hebt weiterhin schmunzelnd die Hand, um mich weiter zu verarzten. Ihr Gesicht ist meinem so nahe, dass ich eben meine Augen schließen muss, um bei ihren Berührungen nicht den Verstand zu verlieren und sie einfach küsse. Aber jetzt, wo dieses schüchterne Grinsen ihre Lippen umspielt und das Rehbraun versucht vor mir zu flüchten, bezweifle ich, dass ich mich noch länger halten kann.

„War sie denn sehr teuer?", erkundet sie sich leise, als würde sie nicht wollen, dass uns jemand hört. Dramatisch nicke ich, wobei mein Schädel anfängt zu dröhnen. „Sehr teuer.", antworte ich in der gleichen Tonlage und bewundere, wie das Lächeln noch breiter wird.

Das Pochen, das diese Wunden vorhin ausgelöst hatten, verblasst. Stattdessen kitzelt es mich da und der Drang in mir, daran zu kratzen, steigt. Doch die zarten Fingerspitzen, die in aller Ruhe, drüber fahren, bringen meinen Bauch zum Kribbeln. Es ist etwas, dass ich öfters bei Adeline spüre, das mir allerdings fremd ist. Ich kenne es nicht und das macht mich nervös.

„Hast du ihn danach...?" Sie schluckt und schielt für eine Millisekunde zu mir, ehe sie konzentriert weiter macht. Ob ich ihn getötet habe? Nein. Ob ich nichts lieber wollte, als ihn zu töten? Ja.

„Nein, er lebt noch." Die Betonung liegt auf „noch". Adeline sagt nichts mehr, schaut mich auch nicht mehr an und wischt mit den Tuch ihre Finger ab. Sie kramt in dem Kasten rum und betrachtet dann die verschiedenen Pflaster Größen.

Wieso macht sie das? Wieso sitzt dieses zerbrechliche Wesen vor mir und macht sich Gedanken darüber, welcher Pflaster besser für meine Wunden geeignet ist, statt einen Fluchtplan zu erstellen?

„Wieso bist du hier, Adeline?", platzt es schlussendlich aus mir heraus. Ich beobachte wie sich auf Anhieb kleine Falten auf ihrer Stirn bilden und sie sichtlich irritiert die Brauen zusammenzieht. Adeline scheint zu überlegen, ehe sie mir dann in die Augen sieht. Verständnislosigkeit und pure Verwirrung.

„Weil...", fängt sie an, findet jedoch die richtigen Worte nicht. Aufdringlich beäugle ich sie und spüre, wie sich das Pochen wieder meldet, jetzt wo ihre Finger weit entfernt sind.

„Weil du mich gefangen hältst?", flüstert sie nervös und beißt sich auf die Unterlippe. Meine Worte scheinen wohl falsch bei ihr angekommen zu sein. Ich schüttele meinen Kopf.

„Wieso sitzt du hier und spielst den Arzt, statt das Weite vor mir zu suchen?", verbessere ich mich und merke, wie meine Stimme ebenso leiser geworden ist. Leiser und sanfter.

Adeline schaut zu meinen Wunden, dann zu dem Kasten und zu guter letzt zu mir. Das helle Braun funkelt unsicher und auf einmal sieht sie selbst völlig ratlos aus. Als würde sie es selbst nicht wissen. Dennoch hindert es sie nicht daran zu antworten. „Du hast bisher auch schon drei mal den Arzt gespielt.", kontert sie und legt die Dinger in ihrer Hand wieder zurück.

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