Kapitel 23

1.2K 51 0
                                    

A D E L I N E

„Mach dich bereit. Wir fahren morgen zu deinen Eltern." Erschrocken reiße ich meine Augen auf, als seine tiefe Stimme, den plötzlich so kalten Raum, erfüllt.

Ich spüre wie sich alles augenblicklich zu drehen beginnt und ich halte unbewusst den Atem an.
„Zu meinen E-eltern?", frage ich nochmal, als hätte ich ihn davor nicht richtig verstanden in der Hoffnung, dass ich mich womöglich verhört habe. Bestätigend nickt er und erst jetzt, fällt mir der schwarze kleine Koffer in seiner Hand auf.

Völlig entgeistert starre ich ihn an und wie, als hätte ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper, spüre ich nur, wie sich mein Kopf langsam zu schütteln beginnt. „Wie fahren nach Los Angeles?", flüstere ich und versuche die kommende Flüssigkeit wegzublinzeln.

Meine Stimme zittert, genauso wie auch meine Finger. Dabei steigt die Panik langsam aber mit einer gewissen Wucht auf und scheint meinen Körper übernehmen zu wollen.

In seinem Gesicht kann ich keinerlei Emotionen finden, während er mich anstarrt und uninteressiert zu nicken beginnt. Ihn interessiert es gar nicht, dass ich voller Beklemmung fast schon zu weinen beginne, stattdessen brennen seine braunen Augen auf mich nieder. Ich kann die Härte und Distanzlosigkeit, sowie auch den Hass in ihnen erkennen und ich keuche, als ich realisiere, dass er es tatsächlich ernst meint.

„A-aber wieso?", hauche ich und bin weiterhin dabei, die Tränen, die mir entfliehen wollen, mit häufigem Blinzeln aufzuhalten. „Sie haben uns eingeladen. Sie wollen vergangene Zeit mit ihrer Tochter nachholen."

Ein kalter Schauer läuft mir mein Rücken hinab und ich schlucke. Aiden's Miene ist weiterhin fest, allerdings klang seine Stimme bei dem letzten Satz anders. Als würde er belustigt etwas zitieren.

„Wir fahren Morgen Abend."

Den Koffer lässt er dort stehen, während er sich wieder Richtung Tür begibt, ehe er verschwindet.
Minuten vergehen und ich sitze nach wie vor in der gleichen Position. Erschrocken und mit einem Tränenschleier vor den Augen, habe ich irgendeinen Punkt vor mir fixiert.

Aiden's Satz wiederholt sich einige Male in meinem Kopf, trotzdem realisiere ich es nicht. Oder wohl eher will ich es nicht realisieren. Mein Hals wird augenblicklich trocken, als ich an das Haus von meinen Eltern denke, welches sich in Los Angeles befindet. Ein Horrorhaus in denen laute Horror Erinnerungen rumschwirren. Ich will um keinen Preis da wieder zurück. Nein...

Nein, nein, nein. Bitte nicht!

Wut steigt in mir auf und ich kann es nicht fassen. Aiden kann doch nicht einfach hier reinspazieren, mir sagen dass wir zu meinen Eltern fahren werden und wieder gehen, als hätte ich nicht mal das Recht darauf, ein wort zu erwidern. Doch so traurig es auch ist, so ist es. Ich habe in diesem Haus kein Recht darauf, mein Mund zu öffnen. Genauso wie in dem anderen Haus, in dem ich meine Kindheit verbringen musste. Und jetzt, wo mir klar wird, dass ich in diesen zweiundzwanzig Jahren nur drei Jahre frei leben durfte und tun und lassen konnte was ich wollte, lache ich verzweifelt.

Drei Jahre...

Weitere Zeit vergeht in der ich, wie schon so oft, leise vor mich hin weine. Jedoch stehe ich jetzt auf und gebe mitten im Raum ein leises „Micky" von mir, während ich meine Hand nach oben halte, ehe der gelbe Vogel auf meine Handfläche sicher landet. Kurz neckt er mich und pickst mich an meiner Haut, doch ich reagiere nicht und führe ihn still zu seinem Käfig. Es ist schon spät, was ich erst bemerke, als ich mich in der Toilette vor dem Spiegel betrachte.

F E A R Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt