Kapitel 44

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A  I  D  E  N

Es sollte mich frustrieren, dass sie alle meine Emotionen mit Leichtigkeit aus meinen Augen ablesen kann. Es sollte mich verärgern, dass sie mich oftmals durchschauen konnte. Doch aus irgendeinem Grund auch immer, bin ich das nicht. Vielmehr spüre ich eine gewissen Erleichterung.

Ich weiß, dass ich wieder mal die Beherrschung verliere und nicht in solch einem Zustand vor Adeline stehen sollte. Sanft und Geruhsam. Jedoch erlöschen diese glänzenden, rehbraunen Augen meine Wut und den Groll in mir, nach nur wenigen Sekunden der Betrachtung.

Adeline legt ihre Hand, welche davor meine umklammert hatte, auf meinen Arm. Auf Anhieb beginnt die Stelle unter ihrer weichen Haut zu kribbeln. Und auch meine Finger, die um ihren Kinn sind, prickeln ganz leicht, während kleine Stromschläge durch ihnen wandern. „Du hast mich nicht nur geküsst, um den Menschen um uns etwas zu beweisen.", flüstert sie gegen meine Lippen, die nur wenige Millimeter von ihre entfernt sind. Und verdammt... sie hat sowas von recht.

Ich hatte es nicht nötig, Adeline vor den Augen aller Menschen zu küssen. Ich tat es nur, weil jede Zelle in mir danach schrie. Mein Verstand setze zu dem Zeitpunkt aus und mein Körper schien sein eigener Herr zu sein. Genau wie jetzt.

„Ach echt?", stelle ich mich dumm und fahre mit meinen Daumen ihren Kiefer entlang. Ab und zu schließt Adeline ihre Lider und atmet tief ein, was mich leicht schmunzeln lässt. Sie nickt, als wäre sie sich da ganz sicher. Als würde sie meine Gedanken besser kennen, als ich selbst. „Du hast mich geküsst, weil du es wolltest.", haucht sie, wenn nicht ein wenig zittrig. Ich beobachte jedes Wort, das über ihre wunderschönen Lippen kommt und am liebsten, würde ich unverzüglich meine auf ihre pressen.

Allerdings geht das nicht. Nicht noch einmal.

Ich schlucke, versuche meinen Verstand zurückzuerlangen. Aber weder kann ich an was anderes denken, als an das entzückende Wesen vor mir. Noch kann ich meine Finger, sowie auch Augen von ihr losreißen.

Küss sie!

Alles in mir brüllt danach sie erneut zu schmecken. Sie zu spüren und zu begehren. Aber das letzte bisschen Verstand in mir, hält mich auf. Weigert sich dagegen und versichert mir, dass ich es bereuen werde. Und das stimmt. Ich werde es wie das vergangene Mal bereuen und ich werde sie erneut verletzen müssen. Mit Worte, die sie am härtesten treffen.

Gerade, wo ich meine Hand entziehen möchte und zurückweichen will, umklammert sie meinen Arm fester. Ihre Pupillen weiten sich einige Millimeter, während sich ihre Lippen trennen, als würde sie etwas sagen wollen. Aber aus ihr kommt kein Ton.

Eine Weile stehen wir beide so. Umgeben von der Stille und die Anspannung um uns. Ich sehe das funkeln in ihren Augen. Ihr verzweifelter Ausdruck, weil sie weiß, dass ich langsam wieder klaren Kopf bekomme und sie abermals wegstoßen werde.

„Lass mich los."

In meiner Stimme liegt ein strenger Unterton, der Adeline eine Furche zwischen ihren Augenbrauen entstehen lässt. Doch sofort kommt sie der Anweisung ohne zu zögern nach. Mein Verhalten verwirrt sie, ebenso wie mich.

Die Wut in mir steigt ein weiteres Mal auf. Wut allein mir gegenüber. Meiner Schwachheit gegenüber...

Ich drehe mich um und mache mich erneut ans gehen, als ihre zierliche Stimme ertönt und mich inne halten lässt.

„Wieso machst du das?", ruft sie zittrig. Ein Kloß bildet sich in mein Hals, als ich ihre Tonlage höre. Pure Enttäuschung und Frustration.

Geh weiter, Aiden. Hör dir das nicht an!

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