Kapitel 67

538 40 8
                                    

A I D E N

Ihre Augen sind umhüllt mit Trauer und Leid, als würde sie den gleichen Schmerz spüren, den ich in mir tragen. Doch so ist es nicht. Sie spürt nicht das gleiche wie ich. Nicht einmal ansatzweise.

So komisch das auch klingen mag, aber ich fühle mich tatsächlich hintergangen.

Ich habe Adeline vertraut. Ich habe ihr von Rose erzählt. Verdammt, ich habe sie sogar zu unserem Kindheitsort gebracht.

Meine Knöchel brennen und ich öffne meine blutende Hand einige Male, um sie dann erneut zur Faust zu formen.

Die Trauer zieht sich langsam aus meinem Inneren zurück und an ihrer Stelle breitet sich abermals die rasende Wut aus. Wut, die ich lange nicht mehr spürte. Und diesmal können mich selbst ihre ängstlichen Augen nicht schwächen.

Minuten vergehen und wir stehen uns still gegenüber. Sie am weinen und ich am überlegen, was ich nun tun soll. Alles in mir schreit danach, sie wieder anzubrüllen. Doch etwas in mir schafft es nicht. Stattdessen entscheide ich mich, ihr den Rücken zuzukehren. Ihr ersticktes Schluchzen begleitet mich, als ich den Raum verlasse.

Wut durchströmt mich, während ich die Treppe hinabstampfe und ich kann Sophia's verwirrten Blick von unten schon auf mir spüren. Jedoch erspart sie mir zum Glück die Fragen in ihrem Kopf und ich laufe an ihr vorbei.

Liam hatte am Telefon erklärt, dass Ethan vor einem unserer Männer fliehen konnte, aber nicht vor dem zweiten. Der Typ ist scheinbar auf seinen eigenen Tod aus.

Der Zorn in mir will sich nicht beruhigen. Auch dann nicht, als ich ins Auto steige und zum Lager losfahre.
Während ich am überlege bin, was genau ich nun tuen werde, klingelt mein Handy ununterbrochen. Allerdings habe ich nicht vor ranzugehen. Wer auch immer es ist, interessiert mich in diesem Moment nicht.

In meiner Brust wird es immer enger und normalerweise würde ich nicht verstehen weshalb. Weshalb es schmerzt, statt nur vor Wut zu kochen. Aber gerade ist alles so klar, wie es noch nie zuvor war. Jede einzelne Frage in meinem Kopf beantwortet sich mittlerweile von alleine.

Wieso es wehtut. Weshalb ich diese unendlich große Enttäuschung spüre. Und wieso ich beschlossen habe, Adeline heute noch wegzuschicken. Weit weg.

Meine Schritte hallen auf dem harten Boden des Lagers wider, während ich mich der Tür nähere. Mit jedem Schritt, dem ich dem Zimmer näherkomme, wächst meine Wut.

Einer der Männer öffnet mir die Tür und direkt erblicke ich Liam vor mir. Ethan sitz auf einem Stuhl, Blut tropft aus seiner Nase, doch wenigstens kann er sich glücklich schätzen, dass die Fesseln ab sind. Seine ängstlichen Augen treffen auf meine, als ich eintrete und sich die Tür wieder hinter mir schließt.

Ein beklemmendes schweigen erfüllt den Raum, während ich ihn abwertend betrachte. Ich sehe in ihm nicht mehr als den Mörder meiner Schwester, einen herzlosen Arsch. Doch gleichzeitig drängen sich die Bilder von Adeline in meinen Gedanken, wenn ich ihn ansehe.

Das alles ist nur geschehen, weil sie ihren Bruder beschützen wollte. Sie wollte ihn retten. Sie wusste, dass ich es sowieso erfahren würde und sie hat es dennoch getan. Für ihn.

Seine Stimme durchbricht die Stille: „Hast du ihr etwas getan?"

Beinahe hätte ich gelacht. Ob ich ihr etwas getan habe? Wie zum Teufel hätte das funktionieren können?

F E A R Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt