Kapitel 1 (2/3)

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Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, als dieser blonde Junge einfach die Flucht ergriff. Nicht mal aufhalten konnte ich ihn, da war er schon weg und ich sah ihm nur hinterher, bis er um die Ecke bog.

Das war doch der Sklave von eben aus dem Spielraum gewesen, oder? Wir hatten ihn weggeschickt, um uns jemand anderes zu suchen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, ihn dabei zu erwischen, in einen der Räume zu spähen. Er wahrscheinlich auch nicht, sonst wäre er ja nicht einfach weggerannt.

Obwohl ich mich selbst nicht als neugierig bezeichnet hätte, konnte ich es nicht unterlassen, in den Raum zu schauen, den auch der Junge beobachtet hatte. Aber drinnen spielte sich nichts interessantes ab. Nur ein Mann, der mit einem schwarzhaarigen Sklaven sprach.

Also wandte ich mich ab und ging den Flur weiter entlang. Eigentlich hatte ich nach dem Tag wirklich keine Lust mehr Verstecken zu spielen, aber es machte mich wütend, einfach so stehengelassen wurden zu sein. Das machte man nur einmal mit mir, dann wusste man, was einem blühte. Und wenn ich dann noch von einem Sklaven zum Narren gehalten wurde, ließ das eine kleine Ader auf meiner Stirn platzen. Sie waren nichts wert, hatten keine Rechte und gehörten einer anderen Person. Sich von so jemanden beleidigen zu lassen, war ein Eingeständnis von Schwäche, welche ich keinesfalls zeigen würde. Da war es mir gleich, ob die anderen auf mich warteten, oder ob ich überhaupt hier abbiegen und in den Bereich mit der Nur für Personal-Kennung durfte.

Hinter dem getrennten Bereich lag nur ein weiterer Gang mit Räumen, in die man durch Fenster sehen konnte. Augenscheinlich waren es Büros. Es passte seltsamerweise nicht in dieses Sklavenhaus, aber irgendwo musste die Schreibarbeit ja erledigt werden. Doch an dessen Ende erkannte ich die Treppe, die ich sonst immer von der anderen Seite aus erreichte. Sie führte hinunter in die Unterbringungen der Sklaven.

Genau da vermutete ich auch den frechen Jungen, der anscheinend nicht wusste, wie man sich einem Freien gegenüber zu verhalten hatte. Und wo vorhin kein Interesse gewesen war, da juckte es mich jetzt in den Fingern, den Abend mit genau diesem zu verbringen.

Die moosigen Stufen nach unten waren nicht mehr halb so pompös, wie der Rest dieser Einrichtung. Von außen prangten goldene Verzierungen und ein roter Teppich, aber wenn man sich an diesen Bereich wagte, dann erkannte man sehr bald, dass der Schein manchmal zu trügen versuchte.

Hier verirrten sich nur wenige Gäste her. Solche solche wie ich, denen so ein bisschen Feuchtigkeit nichts ausmachte. Für die anderen war es ein unscheinbarer Fleck, über den sie niemals nachdachten. Denn irgendwo mussten die Sklaven untergebracht sein, sie konnten ja nicht in der Luft schweben. Da bot es sich unter der Erde an.

Natürlich war es auch hier noch ordentlich und gepflegt, immerhin gab es Leute wie uns, die sich ihre Sklaven selbst aussuchten, aber es war nicht mehr so pompös oder verziert, gar geschmückt. Einfach nur kalter Stein und ein paar Lampen.

Unten angekommen strahlte mir das industrielle Licht der Scheinwerfer entgegen und meine Augen brauchten einen Moment, um sich an das grelle Leuchten zu gewöhnen.

Dann suchte ich den unteren Bereich nach dem Jungen ab. Zuerst kamen einige weitere blickdichte Räume, bis ich in das Abteil kam, das mit Zellen ausgestattet war. Hier lebten die ersten Sklaven aus diesem Haus. Sie saßen auf dem kalten Boden oder der spärlichen Matratze, sahen überrascht auf, als ich die Zellenreihen passierte, aber ignorierten mich größtenteils. Vielleicht kannten mich einige von ihnen schon, mit nicht wenigen hatte ich schon mal den Abend verbracht. Aber die meisten blieben wohl einfach still, weil sie gut erzogen waren und einen Freien nicht von sich aus ansprachen.

Ich lief eine ganze Weile, die Kellergewölbe waren groß, aber ich traf nicht wieder auf den Jungen, der mich für dumm hatte verkaufen wollen. Auf wen ich allerdings traf, waren meine Kumpels, die sich vor einer Zelle mit einem der Aufseher versammelt hatten und über die Sklaven darin erzählten.

Die verzwickte Kunst des VertrauensWhere stories live. Discover now