Kapitel 19 (1/3)

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich noch schlechter als tags zuvor. Deshalb quälte ich mich aus dem Bett, zum Waschen und auch beim Frühstück mit Isaac. Und als er weg war, lehnte ich mich erschöpft gegen die Haustür.

Ich hatte mit ihm geschlafen, obwohl ich nicht mit vollem Herzen dabei gewesen war. Aber ihm zu gestehen, dass ich ein merkwürdiges Geheimnis in meinem Inneren trug, hatte ich nicht geschafft. Denn dann würde er mich hassen und mich nicht mehr wollen. Dann wäre ich mein neues zu Hause los. Und Isaac auch.

Ich versuchte mich den ganzen Tag lang mit Hausarbeiten abzulenken, doch es half nichts. Selbst als ich heimlich den Fernseher angeschaltet hatte, musste ich nur darüber nachdenken, was ich im

Moment fühlte.

Denn wenn ich ganz offen und ehrlich war, wusste ich es nicht. Ich liebte Isaac. Er hatte mich gekauft und mir einen Ort gegeben, an dem ich mich frei bewegen durfte. Er beschützte mich. Und dann gab es noch Terry, der mich so gut verstehen konnte, der mir zuhörte und der immer so fröhlich schien, dass ich meine eigenen Sorgen vergessen konnte.

Konnte man zwei Menschen zur gleichen Zeit lieben? War das möglich und wenn ja, wie wusste man dann, für wen man sich entschied?

Seufzend ließ ich mich auf der Couch nieder. Ich hatte es so satt, dieses ganze Denken und Entscheiden und diese Gefühle... Als ich noch nicht bei Isaac gewesen war, hatten diese Sachen andere Leute für mich übernommen. Dann hatte ich mich nur darauf konzentrieren müssen, meine Aufgaben richtig zu erledigen.

Ich nahm einen Schluck vom Saft, den ich mir zu der Soap im Fernsehen geholt hatte. Selbst so etwas Kleines hätte ich mir damals nie erlaubt. Da hätte ich mich wie ein artiger Sklave benommen und nicht ohne die Erlaubnis meines Herrn getrunken, geschweige denn, es mir selbst genommen.

Was war ich denn eigentlich noch? Wo gehörte ich hin?

Plötzlich klingelte es. Zuerst dachte ich an das Telefon. Zuvor hatte Isaac schon einmal angerufen und gemeint, dass er später kommen würde und ich mir keine Sorgen machen sollte. Diesmal war es allerdings die Türklingel.

Ich lief zum Eingang, öffnete verwundert und schob sie dann ganz schnell aus Reflex wieder zu, als ich mitbekam, wer dort stand. Das war wohl eines der unhöflichsten Dinge, die ich jemals getan hatte. Dennoch musste ich die Augen zusammenkneifen und brauchte einen Moment um mich zu sammeln, bevor ich die Tür wieder öffnete.

»Was war das denn?«, kam es belustigt von Terry, der sich diesmal zur Sicherheit an den Türrahmen lehnte.

»B-Bitte verzeiht, das war keine Absicht.«, sprach ich mehr oder weniger die Wahrheit und senkte den Blick. Der Letzte, den ich im Augenblick sehen wollte, war der Mann, der vor der Tür stand und nicht aussah, als wollte er bald wieder los.

»Ist Isaac da?«

»Nein.«

»Gut.«, sagte Terry ganz unverhohlen und ließ mich stehen, als er eintrat und ins Wohnzimmer lief. Perplex schloss ich die Tür und eilte ihm hinterher, fand ihn auf der Couch sitzend und von der Mandarine naschen, die ich mir eigentlich besorgt hatte.

»Bitte geht wieder.«, sagte ich eindringlich, obwohl meine dünne Stimme nicht viel Druck ausübte.

»Kannst du dich noch erinnern? Das letzte Mal, als ich hier war, hast du genauso reagiert. Und du hast es nicht bereut.« Er zwinkerte mir neckisch zu und und nahm sich erneut ein Stück von der Mandarine, das er sich in den Mund schob.

Seufzend gab ich den kläglichen Versuch auf, Terry zu vertreiben und mit ihm auch die Antworten, die ich wohl geben musste. Deshalb setzte ich mich neben ihn und beobachtete, wie er weiter genüsslich mein Obst verputzte.

»Das ist meine.«, versuchte ich kleinlaut und verzog den Mund.

»Ach, ist das so?«, flötete Terry und steckte sich das letzte Stück zwischen die Lippen, genauso, dass die Hälfte noch zu sehen war. Ich erkannte sofort diese stille Aufforderung und senkte nervös den Blick, weil mir die Hitze ins Gesicht schoss.

Doch Terry rutschte näher zu mir heran und fasste mit einer Hand an meinen Hinterkopf, den er hochzog und zu ihm führte. Ich ließ es geschehen und schluckte schwer. Wie sollte ich wissen, was ich fühlte, wenn ich niemals versucht hatte, mich darauf einzulassen? Vielleicht sollte ich mich einfach nur für ein paar winzige Moment hingeben, um alles zu verstehen.

Und dann schloss ich die Augen und spürte, wie meine Lippen die Mandarine berührten und danach Terrys warme Lippen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich suchte mit meiner Hand nach Terrys freien, die ich miteinander verschränkte.

Daraufhin biss ich meine Hälfte des Obstes und zog mich dann vorsichtig wieder zurück. Ich öffnete die Augen und sah Terrys zufriedenes Grinsen, unter den Kaubewegungen. Auch ich schluckte die Mandarine herunter und leckte mir über die Lippen.

Hatte ich Isaac jetzt betrogen?

»Kann ich das dann schon als Antwort sehen?«, fragte Terry nach und drückte meine Hand mit seiner eigenen fest. Dafür bekam er von mir allerdings nur einen bösen Blick, der sein Grinsen noch breiter werden ließ. Seine Hand von meinem Hinterkopf wanderte herum zu meinem Gesicht und ruhte dann auf meiner heißen Wange. »Komm schon, ich will dich. Und du willst mich auch. Du musst dich entschieden.«

»Aber wie?«, fragte ich schwach und spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Wie sollte ich diese unlösbare Aufgabe bewerkstelligen?

»Das kannst nur du wissen.«, hauchte Terry, kam noch näher, sodass ich seinen Atem spürte. »Ich hab zwar im Moment nicht viel zu bieten, aber für dich würde ich auch zu meiner Mutter zurück, um das Unternehmen zu erben. Dann könnte ich immer für uns sorgen. Geld wäre niemals ein Thema. Ich will jeden Tag mit dir ausgehen und um die Welt reisen, dir jeden Ort zeigen, von bunten Wasserfällen, bis zu riesigen Canyons.«

Ich strich eine von Terrys roten Strähnen hinter sein Ohr, die nicht halten wollte und wieder herunterfiel. Dann biss ich mir auf die Lippe, während mein Herz mir aus der Brust springen wollte.

»Isaac kann... dir eine gewisse Sicherheit geben, das verstehe ich.«, begann Terry ehrlich. »Er ist reifer und älter und hat schon viel durchgemacht. Ich kann nachvollziehen, dass du dich bei ihm geborgen und aufgehoben fühlst, das tue ich ja auch, wenn ich mit einem älteren Mann zusammen bin.« Ich bewunderte ihn dafür, dass er so aufrichtig sprach und nicht nur sich selbst gut darstellte. Er sah mir tief in die Augen und ich wich nicht aus. »Aber er hat dich geschlagen und dich verletzt. Das würde ich niemals tun.«

Die verzwickte Kunst des VertrauensHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin