Kapitel 1 (3/3)

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Der Aufseher löste sich von seinem Kunden und nickte dann zustimmend. »Natürlich, gerne. Soll ich ihn dann heute Nacht für Sie buchen?«

Die kalten Augen des Mannes blitzen zu mir herunter, sodass ich zusammenzuckte. Aber ich sah nicht weg, so wie er mich ebenso betrachten wollte. Dann folgte ich seinen Lippen, als er sagte: »Ja, machen Sie das.«

Nickend rollte der Aufseher seine Peitsche zusammen und verließ uns dann wortlos. Es war alles gesagt wurden. Genug, um mir eine Gänsehaut zu verschaffen. Erstrecht, als der kalte Blick, der dem Aufseher gefolgt war, wieder auf mir landete.

Natürlich wusste ich, dass ich ihm nicht in die Augen sehen durfte, das hatte ich vorhin schon nicht. Aber diese nichtssagende und trotzdem autoritäre Mine machte mich nervös.

Der Mann kam einen Schritt auf mich zu. Auch jetzt konnte ich nicht fliehen, ich wollte es auch nicht. Aber ich konnte auch nichts gegen den Reflex machen, nach hinten zu weichen, bei jedem seiner Schritte, mit denen er näher kam. Erst als ich mit dem Rücken an die eisige Wand stieß, musste ich notgedrungen anhalten.

Jede seiner Regungen nahm ich genauestens war, als er sich ganz langsam, wie in Zeitlupe, zu mir herunter hockte und sich auf die Knie stützte. Ich schluckte hart und zog die Schulter zum Kopf. So nah, fühlte ich mich noch unbehaglicher.

»Wieso bist du weggerannt?«, wollte er ruhig wissen. Ich suchte Wut in seiner Stimme, aber ich fand keine, auch wenn ich mir sicher war, dass sie in ihm schlummerte. Er wirkte wie ein lauernder Löwe.

»I-Ich wollte nicht wegrennen, Sir...«, sprach ich das erste Mal mit ihm. Wieso konnte ich mich nicht zumindest jetzt benehmen und meinen Blick senken?

»Bist du aber.«, entgegnete er mir. Ein Schauer durchfuhr meinen Rücken, ohne dass er mich bisher angefasst hatte. Ich war mir nicht sicher, ob viele Leute das konnten, sich ohne Schmerzen durchsetzen.

»Ihr habt gesehen, wie ich an der Tür stand. Da habe ich Angst bekommen und bin einfach los...«, ergänzte ich meine Erklärung um ein gutes Stück. Es würde ihm nicht reichen, nichts auf der Welt. Ich könnte ihm das Blaue vom Himmel erzählen, er würde mich nicht verschonen. Niemand würde das.

Der Fremde legte den Kopf schief und sein Blick glitt über meinen Körper. »Wie alt bist du?«

»Achtzehn... Sir...«, antwortete ich ohne groß darüber nachzudenken. Zumindest das wusste ich. Etwas, das man unter Sklaven nicht erwarten durfte. Die meisten kannten ihre Eltern nicht, ihren Geburtsort nicht, nichts wussten sie über sich selbst.

Isaac

So grüne Augen hatte ich vorher selten gesehen. Bei mir in die Klinik kamen die verschiedensten Leute, verschiedenster Herkunft und da gehörte es zu meinen Aufgaben, ihnen in die Augen zu sehen. Auch in den Mund, den Ohren, was auch immer sie für Beschwerden hatten. Aber diese Farbe war besonders. So verwaschen, sie strahlte nicht. Als wären sie ausgetrocknet und trotzdem schien die Farbe intensiv.

Er saß so festgedrückt an der Wand, dass man annehmen musste, er wollte sich durch sie hindurchquetschen. Seine Hände zitterten, auch seine Lippen, trotz allem sah er mich direkt an. Und als er doch den Blick senkte, hob ich ihn wider an, damit er nicht mit dem aufhörte, was mich so faszinierte.

Er war anders. Ich konnte es nicht bestimmen. Während die anderen entweder vor Angst auf dem Boden kauerten oder sich mit Dummheit auflehnten, war in seiner unsicheren Haltung ein kleiner Funke. Etwas, das ihn trotzdem aufschauen ließ, sowas wie Neugierde.

Und ehe ich mich versah, schloss ich meine Lider, beugte mich zu ihm vor und legte dem versteinerten Jungen meine Lippen auf seine eigenen. Seine gesamte Körperhaltung spannte sich an, die Hände zuckten gefährlich nach oben, als wollten sie mich von sich schieben. Aber er tat nichts und ich ließ meine Lippen einfach nur ruhen, solange bis sich seine Anspannung zu lösen schien. Erst dann nahm ich Abstand und betrachtete die geröteten Wangen.

Die verzwickte Kunst des VertrauensWhere stories live. Discover now