Kapitel 6 (2/2)

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Ich zuckte zusammen, als er einen wunden Punkt traf. Er stellte mir Fragen, die ich mir selbst schon einmal gestellt hatte. Bisher hatte ich sie recht gut verdrängen können. Wieso kramte er jetzt in alten Lamellen?

»Du bist so still? Hab ich recht?«

»Nein... nein, nicht so.« Mein Griff um die Flasche wurde hart und kalt. »Ich hasse niemanden. Nein, das tue ich nicht. Und ich wünsche auch niemandem den Tod.«

»Hö? Ernsthaft?«, kam es ein letztes Mal von meinem Herrn, bis er endlich nachließ.

Dafür konnte ich mich nicht hindern. »Hasst... Ihr mich denn?«

Diese Antwort wollte ich vielleicht gar nicht wissen, aber ich musste.

Mein Herr schloss die Augen, fast so, als würde er über etwas sehr wichtiges nachdenken. »Ich hasse nicht dich. Ich hasse was du bist. Ich hasse Sklaven.«

»Weil sie... ihren Meister am liebsten... tot sehen wollen?«, fügte ich eines zum anderen zusammen und kam auf diesen Schluss.

Ein resigniertes Seufzen. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht, wer weiß das schon? Es gibt wohl auch solche wie dich, die lieb sind und freundlich und nett und hilfsbereit und... warm. Ja, vor allem so warm und weich.«

Stille. Bedrückende, lauernde Stille. Keiner traute sich, zu laut zu atmen, der andere könnte es hören.

Was ging in diesem Mann nur vor? Für was oder wen hielt er mich, hielt er uns? Und warum das alles? Ich verstand nichts mehr und mein Kopf fing langsam zu pochen an.

»Ich würde Euch niemals tot sehen wollen.« Mühevoll fing ich den Blick meines Herrn ein. »Das ist absurd, das will ich nicht. Und ich hasse Euch nicht, ich mag Euch!«

Wieder Stille. Bis ich verstand, was ich da von mir gegeben hatte und panisch den Kopf senkte. Selbst durch die Dunkelheit musste man meine Wangen sehen, die jetzt wie ein loderndes Feuer brannten.

»So, so...«, säuselte mein Herr und mein Herz pochte wie wild. Allerdings ließ er es dabei und stupste die Flasche an, damit sie sich erneut drehte. »Du bist dran. Wahrheit oder Pflicht?«

Ich traute mich nicht aufzusehen. Mein Kopf spielte verrückt. Wieso hatte ich das gesagt!? Das war doch völlig falsch rübergekommen! Verdammt...

»Pflicht.«, murmelte ich beschämt, weil die Flasche drohte, beinahe anzuhalten. Ihr runder, offener Kopf zeigte diesmal auf meinen Herrn, der sich erwartungsvoll hochstemmte.

»Was soll ich tun? 100 Liegestütz? Mit den Sachen unter die Dusche springen? Ein Stück Butter essen? Ich bin ganz dein.«

Ganz mein, hallte es in meinen benebelten Gedanken wieder. Das Bier erfüllte seinen Zweck. Meine Sicht verklärte und langsam konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Um mir Mut anzutrinken, nahm ich einen weiteren, großen Schluck und stellte sie dann mit einem lauten Plumpsen auf den Boden neben mich. Mit brüchiger Stimme sagte ich: »Ich will... Ich möchte, dass... Küsst mich.«

Kurz wandte sich die Mine meines Herrn überrascht, dann vergrößerte sich sein Grinsen abermals. Mit einem Finger winkte er mich neckisch zu sich heran. Schwer schluckend krabbelte ich herüber und beugte mich über ihn.

Seine freie Hand legte sich in meinen Nacken und zog mich mit einmal zu sich heran. Dann waren seine Lippen nur noch einen Fingerbreit entfernt. Meine eigenen schienen auf einmal so völlig trocken und kribbelten hungrig.

Er pustete mir leicht gegen sie und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. »Komm schon her und hol dir deine Forderung.«

Ich schloss die Lider und überwand den letzten Abstand. Meine Lippen trafen auf seine und sofort entbrannte ein schneller, leidenschaftlicher Kuss. Er bewegte sich fordernd und drängte mich zurück, hielt mich aber mit der Hand am Kopf wiederum nah bei sich. Seine Zunge drang tief ein und erkundete meinen Mund, ließ mir kaum Platz. Er saugte an meinen feuchten Lippen und hielt sie mit den Zähnen gefangen, die kräftig hineinbeißen und die Zunge entschuldigend darüber fahren ließen.

Die verzwickte Kunst des VertrauensWhere stories live. Discover now