Kapitel 11 (1/3)

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»Es... geht mir doch nicht ums Geld.«

Und als ich geistesabwesend den schlotternden Körper in meine Arme schloss, erfüllte mich so zerrende Wärme, dass mir eine einzelne, winzige Träne entschwand. Kleine Hände fanden auf meinen Rücken und krallten sich ins Oberteil.

»T-Tut mir leid... Ich habe dich wieder verletzt.« Die Stimme an Killians Hals brach sich. Er zitterte wie ein Welpe im Regen. Noch näher drückte ich mich an ihn, hielt ihn so fest, dass ich Angst hatte, ihn zu zerquetschen. »Keine Angst. Ich lasse... dich nicht gehen. Du bleibst bei mir, keiner darf dich mir wegnehmen.«

Wegnehmen? Ich war doch das letzte, ich hatte ihn doch von mir stoßen und an diesen Mistkerl verkaufen wollen.

Den zarten Körper von mir drückend, wischte ich über die nassen Augen und küsste Killian auf die Stirn. »Ich möchte mit dir nach Hause... natürlich nur, wenn du es auch wirklich willst. Nach allem, was geschehen ist, kann man dir nicht verübeln, wenn du mich jetzt hasst.«

Zittrig wurde der Kopf geschüttelt, bis sich der warme Körper wieder an mich schmiegte. »Mehr will ich gar nicht.«

Hier war nicht der richtige Ort für unseren Gefühlsausbruch. Schwerfällig stemmte ich mich auf und half Killian hoch. Kaum einen Augenblick später wurde die Tür geöffnet und ein äußerst misstrauischer Mr Peters trat ein. Mein Kopf schrie, ich sollte mich schämen und den Schwanz einziehen, aber ich blieb standfest, ergriff Killians Hand und zog ihn mit zum Ausgang.

»Äh... Mr Lain?« Die anklagende Stimme interessierte mich nicht. Sollten die Leute eben denken, was sie wollten. Killian weinen zu sehen, war so viel schlimmer. »Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?«

»Ich trete von Ihrem Angebot zurück. Lassen Sie ihre Griffel von meinem Jungen.«, platzte es aus mir heraus, bevor ich schnurstracks das Gebäude verließ, dicht gefolgt von Killian. Und kaum saßen wir im Auto, fuhr ich auch schon davon, einfach erstmal so weit weg wie möglich. Erst auf einem abgeschiedenem Parkplatz, menschenleer und verlassen, hielten wir an.

Während ich mich nicht traute, meinen Blick zu heben, suchte meine Hand nach Killians, die ich in seinem Schoß fand. Was für einen Fehler hatte ich denn nur begehen wollen? Wie hätte ich jemals wieder in den Spiegel sehen sollen, bei dem furchtbaren Gewissen, ihn im Stich gelassen zu haben.

Mein Herz raste.

»Ich bin das größte Arschloch, das jemals auf dieser Welt existiert hat.«, keuchte ich erschrocken die Erkenntnis aus. »Egoistisch, selbstsüchtig, feige, gewalttätig - ein echtes Arschloch eben.«

Der Parkplatz schien lange nicht gepflegt worden zu sein. Ganze Laubhaufen sammelten sich unter den Bäumen, die in dieser Jahreszeit ihre bunten Blätter abwarfen und ein prachtvolles Farbspiel lieferten. Die Wolken zogen sich zusammen, als würde es bald mit gewittern beginnen und der Wind peitschte gegen die Scheiben des Autos. Dennoch war es ganz still.

Was dachte Killian gerade? Seine Hand in meiner bewegte sich nicht, hing nur leblos herunter. Ich kaute mir die Lippe blutig. Damit hatte ich den Vogel abgeschossen, nicht? Das war das letzte Mal gewesen, dass ich mich so ekelhaft benommen hatte - er würde mir nicht mehr verzeihen.

»Das kommt wahrscheinlich zu spät, aber ich schäme mich dafür, was ich dir angetan habe. Nicht nur deine Arme, es geht um alles insgesamt.« Ein so hartes Schlucken rann meine Kehle hinunter, dass ich mich am Hals kratzte. »Killian... ich... ich...«

Wie sollte ich es aussprechen? Nach alldem wollte er doch nichts von meinen Gefühlen wissen, die mir endlich vollkommen bewusst geworden waren. Aber es musste einfach raus!

»Ich liebe dich.«

Killians Kopf hob sich. Dann drehte er ihn ganz langsam zu mir. Ungläubig geweitete Augen blickten mir entgegen. »Was?«

Mein Gesicht schon fast wund, so oft wurde über dieses gewischt, fingen die Wangen mit glühen an. »E-Eine äußerst toxische Liebe, wie man sie wohl bezeichnen würde.« Ich lachte nervös. Warum lachte ich? Mir war ganz und gar nicht danach. »Du musst denken, ich bin irre. Erst ist der Kerl so kalt zu dir und schlägt dich, zerrt dich zu dem Händler und dann gesteht er dir die Liebe.«

Da war wieder dieses böse Funkeln in seinen Augen. Es gab keinen Grund, warum er mir verzeihen sollte. Ich ließ die Schultern hängen und zog unangenehm berührt meine Hand weg. Sicherlich mochte er das nicht.

»Durch meine Selbstsucht bin ich blind geworden und dachte, wenn ich dich verletzte, werde ich stärker und fühle mich sicherer. Was für ein Blödsinn...« Meine feuchten Hände rubbelten über die Hosenbeine. »Mir war nicht klar, wie viel ich mit einer falschen Handlung zerstören könnte. Ich kann ihnen nicht die Schuld geben, aber meine Eltern hatten mir immer so Druck gemacht, dass ich niemandem vertrauen sollte, erstrecht keinem Sklaven... Versteh mich nicht falsch, ich liebe sie. Aber manchmal wünsche ich mir, sie hätten damals in der schlimmen Zeit mit mir gesprochen, mir erklärt, wie diese Welt funktionierte. Stattdessen schwiegen wir alles tot und spielten gute Miene zum bösen Spiel. Irgendwas in mir ist damals zerbrochen und hat eine Unzufriedenheit zurückgelassen, einen Hass auf mich selbst und meine Dummheit.«

Killian hörte mir aufmerksam zu. Aus seinen verengten Augen rannten weiterhin Tränen. Wie gerne hätte ich sie weggewischt. Aber das stand mir nicht zu. Einen so liebenswürdigen Jungen hätte ich auf Händen tragen sollen.

Weil ich die Zeit über so permanent angestarrt wurde, strich ich durch die Harre und lachte wieder so nervös. »Haha... das interessiert dich wahrscheinlich herzlich wenig. Was soll dein Peiniger dir schon erzählen? Du hasst mich.«

Die verzwickte Kunst des VertrauensWhere stories live. Discover now