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Pjotr wartete in seinem Quartier auf ihn.

Nikolai zog den Waffenrock aus und legte ihn fein säuberlich auf den Schreibtisch, hinter dem sein Bursche saß und Dokumente für ihn bearbeitete.

„Lass den reinigen, am Ärmel befindet sich ein kleiner Fettfleck. Ich erwarte, dass er morgen wieder in tadellosem Zustand ist."

Respektvoll senkte Pjotr den Kopf. „Sehr wohl, Euer Gnaden."

Er streifte sich die Stiefel von den Füßen und stellte sie perfekt nebeneinander an die Wand, sodass sie sich im genau gleichen Abstand zueinander befanden, bevor er sich in den Sessel am Fenster setzte und einen tiefen Seufzer ausstieß. Eine seltsame Schwere ergriff von seinen Gliedern Besitz, während er versuchte, das Pochen in seinen Schläfen zu ignorieren. Durch das Fenster starrte die kalte, dunkle Nacht herein. Ständig musste er daran denken, was Brussilow zu ihm gesagt hatte. Er war nicht gut genug. All seine Bemühungen waren umsonst gewesen.

„Ist alles in Ordnung, Euer Gnaden?", fragte Pjotr vorsichtig.

„Was soll die dämliche Frage?", giftete Nikolai und als sein Bursche verschüchtert die Augen niederschlug, taten ihm seine Worte leid. Abermals seufzte er.

„Meine Stiefel müssen noch geputzt werden. Gründlicher als beim letzten Mal, verstanden?"

Pjotr nickte hastig. „Jawohl, Euer Gnaden."

„Bring mir etwas zu trinken."

„Natürlich, was hätten Sie gerne?"

Gleichgültig zuckte Nikolai mit den Schultern. „Irgendetwas Alkoholisches. Beeil dich, ich schätze es nicht zu warten."

Sein Bursche machte sich sofort auf den Weg und kam abgehetzt mit einer Flasche Wodka und einem Glas zurück. Er stellte beides auf dem kleinen Tisch neben Nikolai ab, allerdings nicht richtig. Nikolai rückte die Gegenstände zurecht. Nachdem Pjotr ihm etwas eingeschenkt hatte, musste er die Anordnung von Flasche und Glas noch einmal korrigieren. Unsicher blieb sein Bursche neben ihm stehen. Nikolai hob eine Augenbraue. „Hast du nicht genügend zu tun?"

„Gewiss, Euer Gnaden. Verzeihen Sie."

Eiligst machte sich der junge Mann daran, an den Schreibtisch zurückzukehren. Während der Wodka wohlig heiß in seiner Kehle brannte und zum ersten Mal an diesem Tag für ein Gefühl der Entspannung sorgte, betrachtete er seinen Burschen. Er hatte nicht so gemein zu ihm sein wollen, doch der Frust und die Enttäuschung von der Lagebesprechung hatten ihn ärgerlich gemacht und Pjotr zählte zu den wenigen Menschen, vor denen er nicht kriechen musste, wenn er etwas erreichen wollte. Es war eine willkommene Abwechslung, bei ihm nicht gute Miene zum bösen Spiel machen zu müssen. Immer wieder nahm er sich vor, freundlicher zu ihm zu sein. Er konnte nicht behaupten, dass er Pjotr als Vertrauten oder gar als einen Freund ansah, dafür war das Machtgefälle zwischen ihnen zu groß. Er war Offizier, Pjotr ein Mann aus einfachen Verhältnissen. Trotzdem befand sich der Junge seit Kriegsbeginn treu an seiner Seite. Er gab sich einen Ruck und beschloss, die vorherige Frage des Burschen zu beantworten. „Du wolltest wissen, ob alles in Ordnung ist?"

„Ja, Euer Gnaden. Sie sehen aus, als würde Sie etwas bekümmern."

„Wirklich? Bin ich so schlecht im Verbergen meiner Gefühle?"

Er meinte die Frage ernst, er musste das wissen.

„Ich kenne Sie seit zwei Jahren, Euer Gnaden, ich habe gelernt, Sie zu lesen."

Nikolai nahm einen weiteren Schluck von seinem Wodka. An Tagen wie diesen schätze er die beruhigende, leicht berauschende Wirkung alkoholischer Getränke, auch wenn er ihnen nie verfallen würde. Er wusste, wie wichtig es war, Disziplin zu bewahren. Deshalb genehmigte er sich nur dieses eine Glas.

Der schwarze SchwanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt