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„Leutnant, wenn Sie sich weiterhin so wenig kooperativ zeigen, bleibt mir keine Wahl, als Doktor Hauser zu bitten, seine Therapien bei Ihnen anzuwenden."

Wie immer wirkte von Hohenstein tiefenentspannt während der Verhöre, wohingegen Nikolai immer noch zitterte und schlotterte. Er atmete tief durch, versuchte, sich zu beruhigen und legte sich die Worte, die er sprechen wollte, so behutsam wie möglich in den Mund, erinnerte sich an sein Ziel und hoffte, dass sein Ehrgeiz über sein Stottern siegen würde, bevor er es wagte, in die Offensive zu gehen. Die Aussicht darauf, von Hohenstein schlagen zu können, erfüllte ihn mit einem Hauch von Mut, der ihm in den vorherigen Vernehmungen gänzlich gefehlt hatte.

„Ich...ich...ich kann Ihnen die Informationen nicht nennen, diese Schuld k...k...kann ich nicht auf mich laden."

Ein Satz während des Verhörs! Das hatte er noch nie geschafft. Das Wort Schuld hatte er extra betont und wie erhofft, reagierte der Major kaum merklich darauf. Lediglich ein Anspannen der Kiefermuskulatur, mehr war es nicht, doch Nikolai sah es genau. Er starrte seinem Peiniger direkt in die Augen. Von Hohenstein starrte zurück – der Beginn eines stummen Kampfes. Nikolai konnte sehen, dass der Major ebenso versuchte, ihn zu lesen und zu ergründen wie umgekehrt und sie beide hofften, irgendwelche neuen Erkenntnisse gewinnen zu können, schafften sie es bloß, tief genug in die Augen des jeweils anderen einzutauchen, von Hohenstein in einen irren braunen Dschungel, in dem sich die Lianen des Wahnsinns immer mehr verflochten und die eigentliche Person versteckten, Nikolai in eine ruhig erscheinende blaue See, in der sich wilde Strudel und unerforschte Geheimnisse verbargen.

„Ich finde, es wäre eine S...Sünde", fügte Nikolai nach einer Weile hinzu, ohne mit dem Starren aufzuhören. Es kostete ihn die größte Überwindung, aber es unterstrich seine Worte und diese Wirkung durfte er nicht verfehlen.

Dieses Mal zuckte an von Hohensteins linkem Auge ein Nerv.

„Also wissen Sie etwas?"

„D...das habe ich n...n...nicht gesagt. Ich habe eine Verantwortung gegenüber meinen M...Männern."

Der Major bewegte die Finger der behandschuhten Hand, die bisher ruhig vor ihm auf der Tischplatte gelegen hatte, und spannte sie an. Das war interessant. Bei seinen vorherigen Aussagen hatte er mit einer Reaktion gerechnet, bei dieser hingegen nicht.

„Sie sind ein Moralist?"

Rein stimmlich gesehen blieb der Major gefasst und Nikolai musste gestehen, dass er gut darin war, auf Unangenehmes nicht näher einzugehen.

„N...nein, n...n...noch...n...nicht."

Schweiß tränkte seine Kleidung. Dieser Satz hatte eine ungeheure Anstrengung von ihm gefordert, die ihren Tribut forderte. Kurzzeitig huschte sein Blick zu Reiser und Schwarzer. Der Übersetzer betrachtete die Wand neben ihm so eingehend, dass man den Eindruck gewinnen konnte, ihn beschäftigten gerade ganz andere Dinge als dieses Verhör, etwa die Frage, mit wem er sich nach Dienstschluss betrinken wolle oder die ersten Falten im Gesicht seiner Frau. Kein Wunder, seine Dienste wurden immer seltener benötigt.

Reiser schrieb wie immer mit flinken Fingern und triefender Nase in ein Protokoll. Wann immer er den Rotz hochzog und lautstark schnäuzte, erntete er einen strengen Seitenblick des Majors.

„Das heißt, Sie wollen einer werden?", fragte von Hohenstein weiter nach und Nikolai begann, nervös an einem Hautfetzen zu zupfen, der von seiner Unterlippe weghing. Dieser Mann verstand es, Gespräche zu seinem Gunsten zu wenden, denn nun war es wieder an Nikolai, unruhig zu werden. Er hatte einen wunden Punkt getroffen.

„Im K...Krieg gibt es k...keine M...Moral", wich er aus.

„Aber sollte es sie nicht geben?"

„Täte es d...das, gäbe es überhaupt keine K...Kriege."

Der schwarze SchwanWhere stories live. Discover now