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Von Hohenstein musterte ihn befremdet. „Eben haben Sie noch gestottert. Ich dachte, sie ängstigen sich wieder vor mir?"

Nikolai rollte mit den Augen. „Das meine ich, wenn ich sage, Sie hätten noch viel mehr ahnen müssen."

Der Major neigte den Kopf und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, zu sprechen. „Bitte. Klären Sie mich auf."

„Ich weiß, dass Sie die Angelegenheit mit ihrem Quartier inszeniert haben. Sie wollten mich daran hindern, mehr über Sie nachzuforschen, also haben Sie sich eine schöne Geschichte mit den Deserteuren zurechtgelegt, in der Hoffnung, ich würde das als Erklärung akzeptieren und Sie in Frieden lassen."

Von Hohenstein blinzelte ihn verwirrt an. „Das haben Sie gewusst?"

Nikolai gestattete sich ein arrogantes Grinsen, erfreut darüber, dass er es geschafft hatte, diesen Mann aus der Fassung zu bringen.

Der Major atmete hörbar aus. „Ich dachte, ich hätte Sie hinters Licht geführt."

„Ja und ich wusste, dass Sie das dachten und damit Sie das weiterhin denken, habe ich wiederum Sie hinters Licht geführt, in dem ich so getan habe, als hätte ich Ihre Geschichte geglaubt, damit ich weiter über Sie nachforschen kann. Ich muss gestehen, Sie waren nicht schlecht. Trotzdem brauchen Sie wohl noch die ein oder andere Nachhilfestunde im Fach ‚Wie bin ich glaubwürdig hinterlistig'. Wenn Sie mir verraten, warum Sie hier mit mir eingesperrt sind, lasse ich Sie an meinem Wissen teilhaben. Ich bin Profi auf diesem Gebiet."

Ungläubig schüttelte von Hohenstein den Kopf. „Wie kommt das?"

„Jahrelange Übung als professioneller Tänzer. Beim Ballett versucht ständig einer, den anderen auszustechen und aus dem Weg zu räumen. Wollen Sie wissen, was Ihr erster Fehler war?"

„Nur zu, ich bin nicht kritikresistent."

„Ich konnte viel zu leicht in Ihr Quartier eindringen. Sie hätten es wenigstens absperren müssen."

„Aber wie wären Sie dann hereingekommen?"

„Sie hätten mir eine Möglichkeit geben können, den Schlüssel zu stehlen."

„Woher hätten Sie wissen sollen, wo er sich befindet?"

„Dann hätten Sie ihn eben so platziert, dass es nicht unmöglich ist, ihn zu finden."

„Gut, weiter."

„In Ihrem Gemach befanden sich zu wenig persönliche Gegenstände."

„Das war der Sinn. Sie sollten nichts über mich herausfinden."

Abermals verdrehte Nikolai die Augen. „Dann hätten Sie eben etwas inszeniert. Familienfotos aufgestellt, die nicht die Ihren sind oder was auch immer. Dann Ihr Tagebuch. Es war offensichtlich neu, zu wenige Einträge und vor allem keine sonderlich Originellen. Da wurde ich bereits stutzig, aber wissen Sie, wann ich mir sicher war?"

„Klären Sie mich auf."

„Als ich Ottos Angstreaktion sah. Sie war offensichtlich gespielt. Sie hätten es so inszenieren müssen, dass er sich wirklich vor Ihnen fürchtet."

Von Hohenstein betrachtete ihn aufmerksam, vielleicht sogar eine Spur bewundernd. Konnte das sein oder bildete er sich das ein?

„Sie sind klüger, als ich dachte. Es war nicht das erste Mal, dass ich etwas Derartiges tat und bisher ist jeder darauf hereingefallen."

„Diese Personen hatten wohl das Pech, nicht unter einer Kriegsneurose zu leiden."

„Das Pech?", wiederholte der Major und sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Es war leichter für ihn, so zu tun, als mache ihm seine Krankheit nicht zu schaffen, als zuzugeben, wie sehr sie ihn zermürbte. Er wollte nicht mehr Schwäche zeigen als nötig.

Der schwarze SchwanWhere stories live. Discover now