O N E | P R O L O G

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Was bedeutet es, am Anfang vom Ende zu stehen? Woher weiß man das überhaupt, dass es der Anfang vom Ende ist? Ist es ein Gefühl, eine Vorahnung oder doch nur eine Vermutung?

Ganz offen gesagt, ich hatte keine Ahnung. Da war dieses Gefühl, doch es könnte auch eine böse Vorahnung oder eine Vermutung sein. Doch ich wusste es, irgendwas in mir sagte, dass es der Anfang vom Ende war. Das hier war der Anfang vom Ende. Der Moment, in dem ich Lewis mein größtes Geheimnis offenbart habe, ihm meine schwächste und verletzlichste Seite zeigte. Das, war der Anfang vom Ende.

*

Verdammt, warum muss es nur so wehtun? Warum musste ich diesen Menschen überhaupt so tief in mein Herz lassen, obwohl ich wusste, was er für ein Arschloch ist? Und warum verflucht, musste ich ihm davon erzählen, hätte ich nicht einfach die Klappe halten können? Stille war die Antwort, brüchige Stille. Mein Wimmern und Schluchzen war längst erstickt. Kaum ein Laut schaffte es mehr meine Kehle hinaufzuklettern. Alles was über blieb, war der hohle Schmerz in meiner Brust, wenn ich an diesen Abend dachte. Mehr nicht.

Das erneute aufleuchten meines Handydisplay ließ mich kurz aus meinem Meer an Gedanken auftauchen. Dem Meer, in dem ich seit Tagen ertrinke, doch ich schaffte es einfach nicht dem zu entkommen. Ich war zu schwach. Zu schwach um endlich loszulassen, zu schwach um endlich nach vorne zu blicken und zurückzulassen, was in der Vergangenheit liegt. Lewis, das was zwischen uns war, und meine Mutter. Ich dachte an sie, immer noch, und jeder Gedanke tat auf eine gewisse Art und Weise weh. Doch ich hatte sie immer bei mir. Wenn ich in den Spiegel sah, dann sah ich sie.
Ich bin sie.
Auch wenn ich ihr auf den ersten Blick nicht sonderlich ähnlich sehe, hatten wir doch mehr gemeinsam als man es vielleicht denken könnte. Denn ich hatte ihr Herz. Ich hatte ihre Krankheit geerbt, dessen blöden Namen ich immer wieder vergesse, doch ich trug es in mir. Ich würde an dem gleichen Schicksal zugrunde gehen wie sie, und wahrscheinlich sogar noch früher. Ich würde sterben, wenn ich kein Spenderherz bekomme, genau wie sie.

Erneut rannten Tränen über meine Wangen, als ich die Nachricht von Lewis überflog. Wieso konnte er mich denn nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso muss er immer mehr Salz in die klaffende Wunde streuen? Ich verstand es einfach nicht. Ich verstand ihn nicht. Erst nutzt er mich aus wie eine billige Schlampe, und dann will er unbedingt mit mir reden und sich entschuldigen. Das war doch lächerlich...

Um nicht weiter in meinem Zimmer zu vergammeln, ging ich runter und hatte eigentlich nicht vor, dabei meinem Vater zu begegnen. Doch wie sagt man es so passend... Es ist zu schön um wahr zu sein? Genau das war es, zu schön um wahr zu sein...

Ich rollte mit den Augen als mein Name aus dem Wohnzimmer gerufen wurde. „Wo gehst du hin?" Fragte mein Dad weiter, seine Stimme hallte an den Wänden unseres Hauses. Wie leer es sich auf einmal anfühlte, je mehr sich unser Verhältnis distanzierte... Ich erzählte ihm nichts mehr aus meinem Leben. Noch nicht einmal das mit Lewis. Doch ich wusste natürlich, dass er wusste, dass etwas nicht stimmte. So blöd war er nicht, und noch dazu war ich eigentlich nie der Typ dafür gewesen, den ganzen Tag im Zimmer zu hocken.

Normalerweise gibt es immer irgendwas was ich mache oder wo ich bin. Tanzen, in der Stadt, oder auch nur spazieren. Aber seit diesem Abend, der nun eine knappe Woche zurück liegt, konnte ich all dies nicht mehr. Ich konnte mich nicht mehr aufraffen irgendwas zu machen, außer im Bett liegen und mich selber bemitleiden. Und das blieb selbst meinem Vater, der sich schon aufs nächste Rennen vorbereitete, nicht unbemerkt.

Ein flehender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. In diesem Moment tat es mir wirklich leid und ich fragte mich, ob ich ihm vielleicht unrecht damit tat, ihn so aus meinem Leben rauszuhalten? Ich meine, er ist ja immer noch mein Vater und... Ach wenn es nur so einfach wäre...

Ein räuspern seinerseits riss mich aus meinen Gedanken. „Mach dir keine Sorgen, Papa." Ich rang mir ein Lächeln ab, in der Hoffnung, man würde nicht sehen, wie sehr ich mich dazu zwingen musste. „Ich geh jetzt spazieren. Bis nachher."

Als ich die Tür öffnete wehte mir der spätsommerliche Wind entgegen, den ich erstmal tief in meine Lunge zog.

Ohne wirklichen Plan wohin, lief ich los. Ich kam an der großen Allee von Bäumen vorbei, bei der ich Bekanntschaft mit den zwei Polizisten gemacht habe. Ich kam an diesem Zaun vorbei, an dem ich mir die Gehirnerschütterungen und einige andere Verletzungen zugezogen habe, und schließlich befand ich mich auf der Wiese, die immer der Platz meiner Freunde und mir war. Das letzte mal das wir hier waren, war im Mai. Nun war es Ende August und die Gräser reichten mir bis zu den Oberschenkeln.

Blumen blühten in den buntesten Farben und Schmetterlinge jagten sich vor meiner Nase. Wie konnte etwas so schön und gleichzeitig bedrückend sein? Ich fragte mich das wirklich, während ich auf die Feuerstelle zu lief, an der wir letztes Mal saßen. Vor meinem inneren Auge sah ich uns, wie wir freudig lachten und um die Flammen herumsaßen. Ich hörte unser Lachen, während meine Finger sanft über das hohe Gras streiften, und ich spürte die Gänsehaut, wenn ich an die kühle Abendluft zurückdenke, die wir in dieser Nacht eingeatmet hatten.

Alles war so friedlich, so still, und so ließ ich mich auf einem niedrigen Baumstamm nieder. Mein Blick flog umher, ich war von nichts außer Wäldern, Feldern und dieser Wiese umgeben. Keine nervtötenden Geräusche von irgendwelchen Autos und auch sonst nichts, was in irgendeiner Weise störend wäre. Zumindest war das so, bis mein Handy erneut zu klingeln begann und diese Ruhe zerstörte.

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So meine lieben Freunde, dass hier ist das erste Kapitel zum zweiten Teil von Toxic Love... Ich hoffe es gefällt euch, wenn ja, lasst mir gerne eure Gedanken dazu da <3

Eure Annpakki <33)

Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt