T H R E E

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Die Sonne verschwand mittlerweile schon hinter den Bäumen, und die Luft war etwas kühler als noch vor einer halben Stunde. Bei den Gedanken an die vergangene Zeit zieht sich mein Magen zusammen, andererseits bin ich auch erleichtert. Ich meine, Lewis hat sich entschuldigt, mir gesagt, dass er mich nie für ein billiges Flittchen gehalten hat. Aber so wirklich geklärt was das zwischen uns war oder ist, haben wir auch nicht, was das Ganze irgendwie nicht einfacher machte.

Um den Moment wenigstens für ein paar Augenblicke zu genießen, verbannte ich all diese negativen Gedanken und schob sie bei Seite, um mich wieder voll und ganz auf Lewis konzentrieren zu können, der es gerade geschafft hatte ein Feuer zu entzünden.

Die anfänglich kleinen Flammen wurden immer größer, je länger es brannte. Knackend stiegen die Funken empor, und ich dachte an den Abend zurück, an dem ich hier mit meinen Freunden saß. Wir hatten Spaß, wir lachten zusammen und alles war okay, irgendwie. Und jetzt sitze ich hier mit Lewis, lache und fühle mich einfach nur leicht. Am liebsten würde ich jede freie Minute meines Lebens mit ihm verbringen, mit ihm alt werden und ihn nie wieder aus meinem Leben lassen. Oh Gott, Liv! Reiß dich zusammen, ihr habt euch doch grade erst wieder vertragen! Stieß meine innere Stimme hervor und ich zuckte zusammen. Sie hatte recht, ich sollte aufhören an eine Zukunft zu denken, die ich so niemals haben werde. Nicht mit Lewis und auch sonst mit niemandem. So hart das auch klingt, aber es ist die Wahrheit...

Bei diesen Gedanken musste ich schlucken, sie taten weh, wie ein Schlag in die Magengrube. Warum konnte ich nicht einfach ein ganz normales Mädchen sein, was ihre Zukunft plant, ohne von der Realität eingeholt zu werden, sowieso zu sterben? Verflucht, mehr will ich doch nicht!

„Ich muss mal kurz für kleine Prinzessinnen..." Erklärte ich und erhob mich vom Baumstamm. Mit dem Vorhaben kurz klaren Kopf zu fassen, ging ich ein Stückchen in den Wald rein. Ich durfte mir diesen Abend jetzt nicht von sowas zerstören lassen. Ich musste meine verdammten Gedanken beiseite schieben und aufhören an das zu denken, was noch nicht ist. Kann das so schwer sein? Ich lief sicher zehn Minuten, bis ich irgendwann wieder an den Waldrand gelangte. Jedoch sah ich Lewis nirgends. Ein Blick in die Ferne verriet mir, dass ich wohl den falschen Ausgang gewählt habe, und mich nun ca. einhundertfünfzig Meter weiter hinten befinde, als noch zuvor. Kurz schüttelte ich den Kopf, bevor ich mich über die Wiese auf den Weg zurück zu Lewis machte.

Das Gras streifte an meinen Beinen und raschelte ein wenig, als ich mit großen Schritten durch dieses hindurch stieg. Irgendwann bemerkte mich der Brite und drehte sich zu mir. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht stand er auf. „Wo warst du?" Hörte ich ihn rufen, seine Worte wurden von der dämmrigen Dunkelheit des Waldes verschlungen. Bis ich den halben Weg zurück gelegt hatte, hat der ältere bereits sein Handy gezückt und als es so aussah, dass er mich filmt, drehte ich mich ein paar mal elegant. Doch plötzlich war es nicht nur ich, die sich drehte, sondern alles um mich herum auch und ich wankte zur Seite.

Fuck, was ist das? Dachte ich so für mich, doch ich lief einfach weiter, der Schwindel schwächte nicht ab. Ganz im Gegenteil sogar. Mein Herz begann wie wild zu pumpen und drohte jeden Moment aus meiner Brust zu springen, während ich langsam weiter lief. Reiß dich jetzt zusammen, Liv. Es ist alles okay! Sagte ich mir innerlich, immer und immer wieder, woraufhin sich mein Zustand etwas beruhigte und ich zum sprinten ansetzte. Jedoch hielt dies nur wenige Sekunden an, bevor sich ein stechender Schmerz in meiner Brust ausbreitete. Er war mir in den letzten Wochen unheimlich bekannt geworden.

Ich blieb abrupt stehen und führte die Hand zum Herzen. Mein Atem wog schwer, mit der anderen Hand stützte ich mich gegen meinen Oberschenkel, doch es brachte nichts.

„Alles okay?" Hörte ich Lewis rufen, seine Stimme kam mir immer entfernter vor, doch ich nickte nur und richtete mich wieder auf. Du hast dich nur ein bisschen zu sehr angestrengt... Redete ich mir selber ein, und lief weiter, diesmal in einem etwas langsameren Tempo. „Alles okay!" Antwortete ich ihm, um ihn nicht zu verunsichern. Jedoch hatte ich mehr als unrecht damit, viel mehr als das. Wieder tanzte Schwindel hinter meiner Stirn, mein Herz raste und auf mein Sichtfeld setzten sich dunkle Nebelwolken.

Alles verschwamm in sich selber, bevor ich unwillkürlich in die Knie ging und spürte wie meine Beine unter mir nachgaben. Ich sah nur noch Lewis, der sich in Gang setzte und auf mich zu eilte. Ich sah seinen Mund sich bewegen, aber ohne Ton und ich spürte den mehr oder weniger harten Boden unter mir, der nicht nachgab als ich ohne zu bremsen drauf fiel. Dann Dunkelheit. Pechschwarze stille.

Allmählich wurde mir wieder wärmer und ich begann zu blinzeln. Verschwommene Umrisse setzten sich zu bekannten Formen zusammen, als ich wieder zu mir kam. Keine dreißig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, nahm ich die vage Silhouette von Lewis war, was mir direkt ein Stein vom Herzen zauberte. Selten war ich so froh ihn zu sehen, wie jetzt. Denn er gab mir das Gefühl sicher zu sein, als könnte mir mein Schicksal nichts anhaben, als könnte mir nichts auf dieser Welt etwas anhaben.

Vorsichtig strich er mir ein paar Haare hinters Ohr, wobei seine kalte Hand leicht meine Wange berührte. Sofort wurde ich von einer dicken Gänsehaut ummantelt, was ihm sicher nicht unbemerkt blieb. „Alles okay?" Sein besorgter Blick drang tief in mich ein und ich fühlte mich beinahe nackt wie er mich ansah. Als würde er mir jedes Wort von den Augen ablesen können, bevor es überhaupt über meine Lippen trat. Ich nickte schüchtern und setzte mich dann auf. Der Brite half mir schlussendlich aufzustehen, zusammen gingen wir wieder zum Feuer, was mittlerweile ziemlich viel Wärme spendete.

„Seit wann, weißt du das eigentlich..." Brach Lewis irgendwann das Schweigen, welches über uns lag. Ich schluckte, in seinen Augen sah ich genau, was er meinte, ohne dass er es ausgesprochen hatte. Auf der Stelle wurde mir wieder eiskalt, wieso musste er das jetzt fragen?

Sein Blick klebte weiterhin auf mir, während ich meinen abwendete. Mit einem kleinen Stöckchen stocherte ich in dem mulchigen Untergrund, nur um seinen Augen aus dem Weg zu gehen. „Liv, antworte mir..." Seine Stimme klang kühl, irgendwie distanziert, was mich verunsicherte. „Seit zwei Jahren..." Presste ich schließlich hervor, im selben Moment brach der kleine Ast in meinen Fingern und ich ließ die zerbrochenen Teile fallen. Diese Worte auszusprechen war wie ein Eingeständnis für mich selber. Seit verdammten zwei Jahren muss ich mit dem Wissen leben, zu sterben. Zwei Jahre, in denen mich dieses Schicksal auf Schritt und Tritt verfolgt. Zwei Jahre, in denen ich niemandem davon erzählt habe. Und jetzt wusste er es, ich hatte Lewis davon erzählt als ich betrunken war, und bereue es zutiefst.

Meine Hände waren taub und ich vergrub sie in der Bauchtasche meines Hoodies, den Blick immer noch auf den Boden gerichtet. „Und warum hast du's mir nicht früher erzählt?" Ich zuckte unbeholfen mit den Schultern. Was sollte ich ihm aber auch sagen, wenn ich es selber nicht so richtig wusste? „I- ich denke, also i- ich... Ich weiß es nicht." Ich senkte meinen Kopf, wollte Lewis nicht ins Gesicht schauen, denn ich wusste, ich würde unter seinen Blicken zu Grunde gehen.

„Du hattest nicht vor, es mir zu erzählen, oder?" Enttäuschung schwang in seinem Tonfall und er hatte recht. Natürlich hatte ich nicht vor es ihm zu erzählen, aber was hätte das denn geändert? Helfen kann er mir nicht, das kann niemand und im schlimmsten Fall hätte er den Kontakt frühzeitig beendet. Auch wenn das im Nachhinein keinen Unterschied mehr macht, da es das was wir hatten sowieso nicht mehr gibt, aber der alleinige Gedanke ihn endgültig zu verlieren, bereitet mir Bauchschmerzen. Ich liebe ihn schließlich immer noch, das werde ich auch immer tun, da bin ich mir ziemlich sicher...

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Hello friends :)
Kleine Frage für jeden der das ließt: wie hattet ihr an Lewis Stelle reagiert wenn ihr sowas erfahrt?
Ehrliche Antwort bitte in die Kommentare :))

Man liest sich, eure Annpakki <3

Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now