N I N E T E E N

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In der VIP Lounge des Flughafens wartete ich auf Lewis. Fünfzehn Minuten. Dreißig Minuten. Eine Stunde. Nichts passierte, weshalb ich mir langsam Sorgen machte. Das Kribbeln in meinen Beinen wurde immer schlimmer und ich konnte nicht mehr sitzen. Ich hatte das Gefühl mich bewegen zu müssen, irgendwas tun, aber nicht sinnlos warten, woraufhin ich aufstand. Lewis hätte schon längst hier sein sollen, aber er war es nicht...

Die Minuten vergingen, während ich die ganze Zeit vor der Couch hin und her lief. Von links nacht rechts und wieder zurück. Aber das komische Gefühl in mir ging nicht mehr weg, alles fühlte sich irgendwie merkwürdig an. Meine Beine, meine Finger, von meinem Herz ganz zu schweigen. Es klopfte anders als sonst, stärker und vor allem schneller. Aber ich schob es auf meine Nervosität, denn es war plausibel für mich.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und rief ihn an. Dabei bemerkte ich, dass meine Nachrichten von vorhin, als ich ihm Bescheid gesagt habe, dass ich gelandet bin, gar nicht durchgestellt wurden.

Es wählte nicht einmal, bevor der Anruf von selber endete. „Fuck..." Fluchte ich leise, da ich nicht so wirklich wusste, was das bedeutete. Was war wohl passiert? War überhaupt etwas passiert? In meinem Kopf spannen sich die schlimmsten Horrorszenarien zusammen, von denen ich keins bevorzugt hätte.

Was würde ich nur tun wenn - Ich wagte es nicht diesen Gedanken zu Ende zu denken. Nichts war passiert! Das durfte es einfach nicht...

„Oh Gott, ich bin so froh endlich hier zu sein!" Ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir. Klappern eines Koffers folgte. Ich schreckte aus meinen Gedanken nur um schon im selben Moment Lewis um den Hals zu fallen. „Wow, okay..." Er lachte. „Ich hab dich auch vermisst." Ich spürte wie seine Umarmung fester wurde. Erleichterung floss durch meine Gliedmaßen und ich merkte schon wie ich etwas entspannte. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht..." Erklärte ich als wir uns etwas lösten. Meine Hand fuhr über seine Brust, ich träumte das hier nicht.

„Was dachtest du denn?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gefühl, keine Ahnung. Außerdem warst du nicht erreichbar..." Kaum hatte ich fertig geredet, machte sich auch schon ein breites Schmunzeln auf Lewis' Lippen bemerkbar. „Du bist ja süß. Mein Akku war leer, deshalb konntest du mich nicht anrufen, aber jetzt bin ich ja da." In meinem Herz lösten sich Steine als er das sagte. Es war nur der Akku, der verdammte Akku... Ich muss dringend aufhören mir immer solche sorgen zu machen...

Da es mittlerweile schon halb acht war und dementsprechend auch die Sonne langsam unterging, machten wir uns relativ schnell auf den weg zum Parkplatz. Lewis hatte einen Schlüssel für einen Wagen, den er von Mercedes bereitgestellt bekommen hat, was mir im Moment nur recht war. Ich wollte einfach nur noch nachhause, mich hinlegen und schlafen...

Ich erwischte mich selber dabei wie meine Augen schwer wurden und ich langsam müder wurde, während wir über die Autobahn Richtung Innenstadt fuhren. Das Haus lag im schönen Westen von Stuttgart, von wo man einen wunderschönen Blick über die Stadt hatte und bei Nacht war es besonders malerisch. Wenn die Sonne verschwand und die Lichter angingen, dann war es am schönsten...

Irgendwann waren wir da. Lewis parkte den Wagen in der Auffahrt, ich sah bereits die Tür des Hauses. Dunkles Eichenholz, umgeben von den weißen Fassaden des Neubaus. Es wurde erst letztes Jahr renoviert, ich hatte es noch nie fertig gesehen. Die Auffahrt war abgeschirmt von großen Tannen und Laubbäumen, genauso wie der Rest des Grundstücks. Dadurch verschwand unser Haus beinahe im Dicht der Bäume und man konnte es nur sehen, wenn man tatsächlich die leicht kurvige Auffahrt hoch fuhr, oder wenn man im benachbarten Haus wohnte. Von da konnte man einen spärlichen Blick in unseren Garten werfen, und im Winter, wenn die Bäume etwas magerer waren, konnte man sogar die weiß gestrichenen Hauswände entdecken.

Ich kramte den Schlüssel aus meiner kleinen Handtasche und steckte ihn in das Schloss. Kaum war die Tür offen, strömte mir der Geruch meiner Erinnerungen entgegen. Leicht süß, gemischt mit dem Duft des noch so neuen Parkettbodens. Kein einziges Mal hatte ich ihn bis jetzt betreten. Ich fühlte die wohlige Wärme, welche sich wie eine Decke um mein Herz legte, als ich eintrat.

Ich legte meine Handtasche auf die Glaskommode im Eingangsbereich, direkt neben die große Schüssel, die nur zur Dekoration diente. Der große Spiegel gegenüber ragte von der Decke bis zum Boden, der Rahmen schimmerte gold im dämmrigen Licht von draußen.

Mein Blick fiel in den Flur, zu sehen war die vage Form des halben Wohnzimmertisches und noch weiter hinten schon die riesige Fensterfront. Zu meiner rechten führte eine Treppe in den zweiten Stock. Die Stufen endeten in der Dunkelheit, als würde die Schwärze sie einfach verschlucken.

Ich drehte mich um, als hinter mir die Tür zuging. Lewis stellte die beiden Koffer im Eingang ab und kam dann zu mir gelaufen. „Ich zeig dir den Ausblick." Ich nahm ihn an die Hand und führte ihn durch den Flur, bis wir schließlich vor der Fensterfront standen. Die Lichter der Stadt funkelten in den winzigen Perlen, die sich bereits auf der Scheibe gesammelt hatten. Von hier drinnen konnte auch schon den Pool sehen, der einem einen Infinitiblick über Stuttgart bot, und in dessen Wasser sich der Mond spiegelte. Es war so schön, so friedlich.

Einen Moment sagte niemand etwas, doch in meinen Gedanken sah ich mich genau dort spielen. Wie ich mit acht, Schmetterlingen hinterher rannte, während meine Eltern frühstückten. Es war so unglaublich schön, doch es wäre sicher nicht so schön gewesen, wenn wir damals schon gewusst hätten, wie es mal sein wird. Dass ich jetzt, fast zehn Jahre später hier stehe, und mir diese Momente zurück wünsche. Dass Lewis an meiner Seite ist und wir zusammen durch die Welt gehen. Wer hätte das schon gedacht...?

„Das ist echt schön..." Flüsterte Lewis irgendwann halblaut, ich blinzelte ein paar mal um die Bilder von früher aus dem Kopf zu kriegen. „Und hier bist du aufgewachsen?" Er wendete sich von den Fenstern ab und sah sich um. „Mehr oder weniger. Wir sind hier her gezogen als ich ein Jahr alt war und dann wieder weg, als ich neun war. Seit dem sind wir nur noch zeitlich begrenzt hier." Erklärte ich. Meine Beine trugen mich in die Küche, denn aus irgendeinem Grund, hatte mich der Gedanke eingeholt, dass wir nichts zu essen im Kühlschrank haben. „Weißt du, es ist mir nicht so schwer gefallen hier weg zu ziehen, aber manchmal-" Ich unterbrach mich und öffnete den Kühlschrank, sehen tat ich... nichts. Na toll. Aber was hatte ich auch erwartet, dass jemand für uns einkaufen war?

Mit den Worten: „Wir haben nichts zum Essen." Schloss ich den Kühlschrank wieder. „Wir können was bestellen. Was möchtest du?" Lewis zückte sein Handy und als wir uns auf indisch geeinigt hatten, gab er die Bestellung ab.

Anderthalb Stunden später, als wir gegessen und bereits unsere Koffer hoch getragen hatten, fand ich mich im Badezimmer wieder. Lewis lag neben an auf dem Bett. Durch die angelehnte Türe hörte ich, dass er sich mit jemandem übers Telefon unterhielt. Ich hörte nicht genau hin, weshalb ich nicht wusste um was es ging, stattdessen widmete ich mir selber. Nach dem abschminken verstaute ich mein ganzes Zeug in einem kleinen Kulturbeutel und stellte diesen dann neben das Waschbecken. Anschließend kämmte ich noch meine Haare, die Spuren des heutigen Tages waren deutlich zu sehen.

Und auf einmal war es wieder. Das Kribbeln in meinem Körper, es durchfloss mich wie eine Welle. Es kam so plötzlich und unerwartet, dass ich mich irgendwo festhalten musste, meine Beine könnten jeden Moment unter mir nachgeben, dachte ich und stützte mich links und rechts vom Waschbecken ab. Ich fühlte mich nervös, mein Herz klopfte ruckartig schneller. Und je länger es so schnell schlug, desto unangenehmer und beengender wurde das Gefühl in meiner Brust.

Beruhig dich, Liv. Es ist alles gut... Versuchte ich mir selber gut zu zu reden. Es war genau wie vorher. Und jetzt konnte ich mir nicht mehr einreden, dass es an Lewis' Flug lag, wegen dem ich mir Sorgen machte. Ich hörte ihn nebenan immer noch telefonieren. Er war hier, sicher und ganz bestimmt nicht in Gefahr. Es war etwas anderes. Es war ein Zeichen, ein Zeichen, dass ich sterbe. Aber warum musste ich genau jetzt daran erinnert werden? Ausgerechnet jetzt, wo ich mich einfach nur freuen wollte, mit Lewis hier zu sein?

Es war einfach so verdammt ungerecht...

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Vergesst nicht zu Voten und fleißig zu kommentieren, wenn euch das Kapitel gefallen hat hihih :)

Man ließt sich <33

Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now