T W E N T Y T H R E E

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Mein Vater schrieb mir den ganzen Nachmittag und Abend über nicht, er las nichtmal die Nachricht. Wahrscheinlich war er in irgendwelchen Meetings fürs nächste Rennen oder sonst wo. Jedenfalls war ich glücklich darüber, denn ich wusste, dass er nur mit mir diskutieren würde, und darauf hatte ich nun wirklich keine Lust mehr.

Um nicht den restlichen Abend an meinen Vater zu denken, ging ich nach unten, wo Lewis gerade eine Lasagne aus dem Ofen holte. „Lewis Hamilton: Shoppingbegleitung, Chefkoch und Teilzeit Formel eins Champion..." Ich grinste als ich mich an den Tresen hockte. Der Geruch des Essens verscheuchte für einen Moment alle negativen Gedanken aus meinem Kopf. „Ich bin so einiges..." Sagte er selbstgefällig, was ich mit einem spöttischen „pfff" erwiderte. „Du magst vielleicht vieles können, aber kannst du die beste Freundin der Welt sein?" Ich zog eine Augenbraue hoch, er tat es mir gleich. „Nein, das ist dein Job... Aber ich kann der beste Freund der Welt sein." Er schob mir mein Essen vor die Nase, welches noch immer stark dampfte.

Wir aßen und unterhielten uns. Draußen war es mittlerweile schon dunkel. Irgendwie konnte ich mich noch nicht so ganz daran gewöhnen, dass es jetzt schon um acht dunkel wird...

Irgendwann stand ich alleine draußen, Lewis hatte beschlossen das Chaos in der Küche alleine zu beseitigen, was für mich vollkommen okay war. Meine Augen schweiften über die vielen Lichter der Stadt. Der augenscheinliche Frieden kam mir falsch vor, wenn ich an vorhin zurückdachte. Irgendwie war es bizarr, dass sich nichts verändert hat, seit ich einen Streit mit meinem Vater angefangen habe. Und ja, das habe ich bestimmt, da bin ich mir sicher, auch wenn er meine Nachrichten noch nicht gesehen hat... Aber darum ging es auch nicht, es ging mehr darum, dass der Sturm über mir wütete, während ich in den klaren Nachthimmel sah. Es passte einfach nicht, alles war so perfekt. Es war zu perfekt. Mein Freund stand drinnen und räumte die Spülmaschine ein, während ich hier stand, vor einem riesigen Pool, in einem riesigen Garten und auf die Stadt herunterblickte.

Doch in Wirklichkeit war das alles nicht echt. Mein Freund würde das nur so lange tun, bis er erfährt, dass ich ihm die ganze Zeit Dinge verschweige, und ich stehe nur so lange hier, bis mich das Schicksal einholt. Es war alles eine Lüge, eine riesengroße Lüge. Und mein Vater lebte auch in dieser Unwahrheit. Er krallt sich panisch an irgendwelche Strohhalme, einfach weil er nicht akzeptieren kann, wie es wirklich ist.

„Schatz?!" Kam es plötzlich von drinnen, und als ich mich umdrehte, stand Lewis bereits auf der Schwelle zum Garten. „Was hat das Mädchen vorhin eigentlich zu dir gesagt?" Ich überlegte kurz was er damit meinte, wie er jetzt darauf kam war mir sowieso unklar. Doch dann fiel es mir wieder ein, und mir fiel ein, dass Lewis ja immer noch kein deutsch verstand. „Ach, eigentlich war es nichts wichtiges..." Setzte ich an, weil ich wusste, dass er es unbedingt wissen wollte. „Und deshalb hast du so gegrinst oder was?" In der Zwischenzeit hatte sich Lewis neben mich gestellt und blickte ebenso in Richtung Stadt.

„Na ja, sie meinte halt, dass du ein absoluter Vollpfosten bist und nicht Autofahren kannst..." Ich musste mich an den Tag erinnern, an dem Lewis und ich uns das erste mal über den Weg gelaufen sind. Zur falschen Zeit am falschen Ort... das würde hier wohl perfekt passen.

Dem Formel eins Fahrer entglitt jeglicher Gesichtszug, das sah ich, ohne ihn überhaupt anzusehen. „S-sie hat w-was gesagt?" Im Augenwinkel sah ich wie er sich zu mir umdrehte. „Ja halt, dass du ein Vollpfosten bist der nicht-" Er griff nach meinem Arm und riss mich zu sich. Mein Atem stockte, ein breites Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Ich stand am Abgrund, und Lewis war der, der mich hielt.

„Was hat sie gesagt?" Wiederholte er seine Frage nochmal, wahrscheinlich erwartete er eine andere Antwort. „Okay, stop. Bitte, nicht loslassen!" Flehte ich. „Ich mache alles was du willst wirklich, aber-" fing ich an, nur um im selben Moment wieder abzubrechen. „Aber...?" Ich sah den Spaß in Lewis Augen, er amüsierte sich eindeutig zu viel... „Aber sie hat recht..." Mein Grinsen verging als er losließ und ich ins eiskalte Wasser eintauchte.

Nach Luft jauchzend tauchte ich wieder auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Und, ist es kalt?" Lewis bückte sich zum Beckenrand, für das Grinsen in seinem Gesicht hatte ich ihm eine reinschlagen können...

„Du Arschloch." War alles was ich ihm zu sagen hatte. Und es passte einfach viel zu gut, er war wirklich eins, ein ziemlich großes sogar. „Ich geh mal zwei Gläser und ne Weinflasche holen, dann wird's wärmer." Er stand auf, und ehe ich mich versah war er auch schon im Haus verschwunden. In dieser Zeit zog ich meine Jogginghose und meinen Hoodie aus, beides legte ich an den Poolrand, ich selbst blieb jedoch im Wasser. Nass war ich ja schon und kälter kann es nicht mehr werden.

Die Frage, ob er das gerade wirklich ernst meinte, erübrigte sich, als er mitsamt einer Flasche Wein und zwei Gläsern zurück kam. Er stellte die Sachen auf den Boden, bevor seine Augen auf mich trafen. Ich denke ihm gefiel der Anblick. „Was ist?" Fragte ich schließlich und biss mir leicht auf die Unterlippe. Ich machte das immer, wenn er mich so ansah, denn ich wusste, dass ihn sowas verrückt machte. „Nichts nur-" Er schluckte. „Du bist so wunderschön..."

Ich schmunzelte, während meine Fingerspitzen sanft über die blaue Wasseroberfläche streiften. „Tja, hättest du mich nicht ins Wasser geschubst, wäre ich jetzt bei dir und du könntest mich berühren... Du könntest natürlich aber auch-" Ich hatte nichtmal fertig gesprochen, da zog er sich auch schon bis auf die Boxershorts aus. Es platschte laut, als Lewis einen Köpfer ins Wasser machte. Nicht vergleichbar, aber trotzdem besser als Charles' Rückwärtssalto...

Ich sah nur seinen Schatten der auf mich zuschwamm, da drehte ich mich schon um, dabei wusste ich, dass Flucht unmöglich war. Ich hatte fast den Rand erreicht, da packte er mich Unterwasser und zog mich zu sich. „Haben wir es so eilig?" Er drehte mich um und als ich in sein Gesicht blickte, grinste er nur verschmitzt. Dabei bildeten sich kleine Fältchen neben seinen Mundwinkeln und unter den Augen. Ich versuchte nicht mich zu wehren, der Anblick seiner nassen Gestalt war viel zu überwältigend, als dass ich das überhaupt gekonnt hätte.

Und je länger er mir in die Augen schaute, ganz fest und tief, desto mehr spürte ich wie mein Körper drohte dahin zu fließen. Als würde er von der nächsten Wasser Bewegung mitgerissen werden, wie ein Blatt in der reißenden Strömung. „Ich liebe dich, Liv." Sagte er, seine Stimme klang so wundervoll. „Ich liebe dich, Lewis." Unsere Gesichter kamen sich näher, und dann war der Moment wo ich seine Lippen berührte. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, das Wasser würde durch mich hindurchschwappen. Die Bewegung riss mich mit, um nicht völlig dahin zu fließen schlang ich meine Arme um Lewis' Hals.

Plötzlich gab es nur noch uns, die lichter der Stadt wurden Unscharf hinter dem Abgrund und Probleme unwichtig. Ich küsste ihn als ob mein Leben davon abhinge, und das tat es in gewisser Weise ja auch. Er war mein Antrieb, er war der Grund warum ich das alles hier tat. Ich weiß nicht was ich ohne ihn tun würde, wo ich jetzt wäre und an was ich denken würde. Vielleicht würde ich an meine Mutter denken, die Person, die immer die wichtigste in meinem Leben war. Wahrscheinlich würde ich weinen und mir währenddessen klarmachen, dass sie nur noch in meinen Erinnerungen lebt. Aber das war nicht die Realität. Die Realität war anders, ich war hier, mit Lewis. Wir küssten uns in dem Pool, in den ich als Kind früher gesprungen war, wenn es zu warm war. Ich könnte mir nichts besseres Vorstellen als das zu tun, diesen Augenblick so zu erleben, es war einfach perfekt...

Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FFOnde histórias criam vida. Descubra agora