Im Dorf der Bauern

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Noch vor Sonnenaufgang am nächsten Morgen schlug Louis die Augen auf. Harry lag noch immer in seinem Schoß und er selbst war im Schlaf nach hinten gerutscht, sodass sie nun eng beieinander lagen. Es dauerte einige Augenblicke, bis er wirklich wach war, dann rieb er sich die Augen und richtete sich langsam auf. Harry brummte etwas Unverständliches im Schlaf und schlug die Augen auf, als Louis gerade seinen Kopf festhalten wollte, um sich unter ihm hervorzuwinden. „Mhm Morgen." murmelte er, hielt sich an der Felswand fest und zog sich ins Sitzen. „Wieso bist du denn schon wach? Es ist noch dunkel...." fragte er und gähnte herzhaft. „Ich muss pinkeln." antwortete Louis, erhob sich und verschwand hinter den nächsten Baum. Harry ließ sich wieder auf den Rücken fallen, doch ohne Louis unter ihm, war es nur halb so bequem und er setzte sich wieder hin. „Wir können gleich weitergehen, wenn du willst. Ich kenne mich hier aus, auch wenn es noch dunkel ist und wenn wir Beide nun schon wach sind...." schlug Harry vor, als Louis zurückgekehrt war und sie einigten sich darauf, ihre Sachen zusammen zu packen.

„Wissen die Menschen in den Dörfern eigentlich, dass ihr kommt, um ihnen zu helfen?" fragte Louis. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen, doch die Luft war weiterhin recht kühl, wodurch es sehr angenehm war. „Nein und das ist auch gut so. Die Menschen würden sich sonst zu sehr auf uns verlassen und wir schaffen es nicht immer, eine Kutsche mit so viel Geld auszurauben, bevor die Steuern fällig sind. Daher ist es immer eine Überraschung wenn wir kommen. Die Leute freuen sich sehr und können es meist kaum glauben, dass wir ihnen Geld geben. Wir wechseln auch immer die Boten ab, damit sie sich unsere Gesichter nicht merken und uns eventuell einmal versehentlich verraten." sagte Harry und lächelte dabei zufrieden. „Wir müssten das erste Dörfchen bald erreichen, wenn ich mich nicht irre."

Nachdem sie einen Hügel und einen schmalen Fluss hinter sich gebracht hatten, tat sich vor ihnen ein kleines Wäldchen auf. Die Bäume hier waren noch recht jung und kleine Steinmauern, aus aufgeschichteten, hellen Steinen zeugten davon, dass sich hier in der Nähe Menschen niedergelassen hatten. Die Felder, die von den Mauern eingegrenzt wurden, waren bestellt worden und Korn und Getreide wogte im Wind leicht hin und her. „Das ist das erste Dorf. Man kann es noch nicht sehen, aber hinter dieser Baumgruppe dort, liegen die Häuser." Harry deutete in die Ferne und wollte schon losgehen, da fiel Louis etwas ein und er packte Harry am Arm: „Können wir denn einfach so in das Dorf spazieren? Brauchen wir keine Tarnung?" - „Solange du deine Hand ein wenig versteckst, geht das schon. Ich gebe mich als Wanderer aus. Außerdem werden die Menschen uns schützen, sobald wir ihnen Geld gegeben haben." sagte er und ging los.

Das Dorf war klein und bestand nur aus wenigen Häusern, die im Kreis gebaut waren, sodass es einen kleinen Dorfplatz bildete. Vor einigen Häusern standen Holzkarren herum, Dreschflegel und allerlei Werkzeug lehnte an den Wänden und auf dem Platz rannten Hühner hin und her, die wild gackernd den Boden nach Essbarem absuchten. Zwei kleine Jungen saßen in einer Matschpfütze vor einem der Häuser und patschten mit den Händen im Dreck herum, während sie offenbar etwas spielten. Louis musste beim Anblick der Beiden lächeln, denn genau so hatte er seine Kindheit ebenfalls verbracht. Die Menschen schienen alle auf den Feldern zu sein, denn außer ein paar Frauen, die Wassereimer schleppten, oder im Haus arbeiteten, war Niemand zu sehen. Ein junges Mädchen trat aus dem Haus, das ihnen am nächsten stand und hielt inne, als sie Harry und Louis gesehen hatte. „Guten Tag werte Herren, kann ich Euch etwas Gutes tun?" fragte sie und verbeugte sich kurz vor ihnen. Sie erwiderten den Gruß und verneigten sich ebenfalls, dann sagte Harry: „Sagt, ist der Hausherr zu sprechen?" - „Natürlich. Ich hole ihn." sagte sie, kehrte ins Haus zurück und kam mit einer Frau zurück. Sie sah müde aus, als habe sie zu wenig geschlafen und hatte eine Sorgenfalte im Gesicht. „Gute Tag die Herren." grüßte auch sie und nickte ihnen zu. Hier im Haus hatte die Frau das Sagen, weswegen das Mädchen sie geholt hatte. „Guten Tag. Ich komme, weil die Steuern fällig werden." sagte Harry ernst und die Frau erblasste sofort. „Ich...wir haben das Geld nicht...nicht ganz. Einen Teil können wir zahlen. Bitte Herr, sperrt uns nicht ein, ich flehe Euch an." sie fiel vor Harry auf die Knie griff seinen Umhang und blickte ihn bittend und verzweifelt an. Offenbar glaubte sie, dass er von Jonathan kam, um die Steuern einzutreiben. Harry legte eine Hand auf ihre Hände und schüttelte den Kopf: „Nein, habt keine Angst. Ich bin nicht hier um die Steuer einzutreiben, werte Dame...ich bin hier um Euch zu helfen." Er griff in den Beutel, der an seinem Gürtel hing, nahm eine Silbermünze heraus, drückte sie der Frau in die Hand und schloss ihre Finger um das Geld. Mit großen Augen sah sie Harry an, schien es kaum glauben zu können, was gerade passiert war und schluckte. Dann musterte sie die Münze und hauchte: „Wer seid Ihr?" - „Ist das so wichtig? Ich bin hier um die Familien davor zu bewahren, auseinander gerissen zu werden. Nehmt das Geld und gebt es den Männern des Königs, wenn sie vorbeikommen." Die Frau nickte lebhaft und Tränen der Dankbarkeit stiegen ihr in die Augen, als sie Harry ansah. „Ihr wisst nicht, was Ihr für uns getan habt..." stammelte sie und küsst seine Hand dankbar. „Ich gehe noch zu den anderen Menschen hier...." - „...wollt Ihr eine warme Mahlzeit?" unterbrach sie ihn, doch er schüttelte den Kopf. Louis allerdings nickte, denn etwas Warmes im Magen zu haben, war immer gut. „Dann bleib du hier und iss etwas, ich ziehe schnell meine Runde und komme dann gleich zurück." sagte Harry zu ihm, nickte der Frau zu und ging dann zum Haus nebenan.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now