Auf der Suche nach Pfeilen

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Louis starrte auf die Krähen.

Sie lagen steif und in ungewöhnlichen Positionen da. Manche hatten die Flügel eng an den Körper gepresst, andere sahen aus, als hätte man sie direkt im Flug abgeschossen. Ihre Flügel waren noch ein wenig geöffnet und manche Federn durch den Sack abgeknickt worden.

Alle schwiegen.

Ein Blick zu Gwydion verriet, dass er auf diesen Anblick nicht vorbereitet gewesen war, „Wo habt Ihr die Tiere gefunden?" fragte er Theobald. „Am großen Felsen, in der Nähe des Moores und im Gebiet des alten Waldes im Norden." - „Woher wissen wir, dass nicht Ihr die Vögel getötet habt?" fragte Harry und betrachtete den Besucher misstrauisch. „Ich habe andere Pfeile." erwiderte Theobald und zuckte dann mit den Schultern: „Natürlich weiß ich, dass das nicht genug Beweis ist, aber ich kann Euch nur mein Wort geben. Ich habe die Vögel gefunden, hielt es für verdächtig und beschloss, es zu melden. Ob Ihr meinen Worten Glauben schenkt, oder nicht, überlasse ich Euch." Theobald klang nicht verärgert darüber, dass Harry ihm sein Misstrauen ausgesprochen hatte, sondern ehrlich. Louis glaubte ihm, dass er die Tiere nicht vom Himmel geschossen hatte. Gwydion bückte sich, nahm eine Krähe hoch und musterte sie. In seinem Blick lag Bedauern und er strich dem Tier vorsichtig über die schwarzen Federn. Mit einem Ruck zog er den Pfeil aus dem leichten Körper und besah ihn genauer, als hoffte er, ihn wieder zu erkennen. „Diesen Pfeil habe ich noch nie gesehen." stellte er fest und reichte ihn einmal herum. Tatsächlich sah dieser Pfeil anders und auf eine gewisse Art und Weise eigenartig aus. Der Schaft bestand aus sehr dunklem Holz, die Federn am Ende waren jedoch sehr hell und bildeten einen starken Kontrast. Besonders interessant jedoch war die Spitze. Sie schien nicht aus dem üblichen Metall zu bestehen, denn die war nicht rau und in dunklem Ton, sondern glänzte in hellem Bronze und die Oberfläche war ganz glatt. „Ob er zu denjenigen gehört, die gestern Abend Louis angegriffen haben?" überlegte Leofwine laut und sofort bestürmten ihn alle mit Fragen. Niemand hatte das gestern noch mitbekommen, weshalb sie natürlich überrascht und erschrocken reagierten. „Mir ist nichts geschehen, beruhigt euch, bitte wieder." sagte Louis laut und zu seiner eigenen Verwunderung alle sofort. „Leofwine nutzte die Chance und sprach weiter: „Der Pfeil, der auf Louis abgeschossen wurde, hat ihn verfehlt. Er muss noch immer im Schnee liegen. Wenn wir ihn finden können, dann können wir ihn mit diesem hier vergleichen und haben Gewissheit." Alle stimmten Leofwines Vorschlag zu und fingen an, untereinander zu beratschlagen, wie man sich am Besten auf der Wiese schützte, sollten die Jäger noch immer in den Büschen lauern. Unterdessen bedankte sich Harry bei Theobald: „ Danke, dass Ihr uns informiert habt. Wenn Ihr wollt, dürft Ihr gerne eine Nacht hier verbringen, um Euch auszuruhen. Wenn Ihr zurück in Euer Dorf wollt, steht Euch noch ein langer Ritt bevor, dafür muss man ausgeruht sein." Der Jäger nach das Angebot dankend an und verneigte sich vor Harry. „Danke, Majestät, es wäre mir eine Ehre. Allerdings werde ich noch einen Platz für mein Pferd brauchen. Einen Schuppen, oder ein Stall, wäre gut." - „Liam kann Euch die Stallungen zeigen." Harry winkte Liam heran und klärte Theobald darüber auf, dass der dunkelhaarige, junge Mann nicht sprechen konnte.

„Wir sollten uns am besten jetzt schon auf den Weg nach Draußen machen, um den Pfeil zu suchen. Sonst wird es schneller dunkel, als wir es gerne hätten und dann können wir schlecht im Schnee suchen." - „Aber, wenn die Feinde noch in den Büschen lauern?" warf Draca ein und Flint sagte: „Wir nehmen Schilde mit und einige von uns behalten den Himmel im Auge, um die anderen zu schützen." erklärte Flint, als sei, es das normalste der Welt. „Also, worauf warten wir noch?" Harry wollte Anstalten machen, sich ebenfalls anzuschließen, doch Cuthbert hielt ihn mit ernstem Blick zurück: „Nein, du solltest lieber hier bleiben." sagte er bestimmt und der junge König ließ resigniert die Schultern fallen. Natürlich passte es ihm ganz und gar nicht, in der Burg sitzen zu bleiben, während die anderen hinaus auf das Feld gehen konnten, um nach den Pfeilen zu suchen. Gwydion hatte zu dem Ganzen noch gar nichts gesagt. Er hatte alle Krähen eingesammelt und auf den langen Holztisch gelegt, wo er sie mit trauriger Miene untersuchte und ihnen vorsichtig mit der Hand über die Flügel strich. „Geh zu ihm und leiste ihm Beistand, während wir Draußen sind. Das kann er sicherlich gebrauchen." wisperte Louis Harry zu, doch dieser schüttelte den Kopf: „Nein, ich glaube ich kann ihm da auch nicht viel helfen. Es trifft ihn sehr, dass seine Vögel so grausam ermordet wurden. Ich werde da kaum Trost spenden können." murmelte Harry und senkte den Kopf. Theobald hatte mittlerweile gemeinsam mit Liam den Thronsaal verlassen und die Merry Men zogen sich ihre warmen Umhänge über, um Draußen vor dem kalten Wind geschützt zu sein. „Ich komme mit." sagte Harry entschlossen und hob die Hände, als Louis protestieren wollte: „Keine Angst, ich komme nicht mit nach Draußen und „begebe mich in Gefahr", ich werde euch von einem Fenster aus zusehen, bist du damit zufrieden?" Louis nickte und gemeinsam gingen alle aus dem Thronsaal hinaus. Harry trennte sich von ihnen, als sie den Durchgang im Hof nahmen. Während die Merry Men in die Waffenkammer gingen, um sich dort mit Schilden einzudecken, wandte der König seine Schritte zu einem Wandelgang, von wo aus man hinunter auf die Wiese blicken konnte.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now