Die List funktioniert

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Es schien fast so, als sei der Kampf fast vorbei. Nur noch wenige kämpften miteinander. Viele Soldaten waren bereits verletzt oder tot und lagen im Schneematsch. Cuthbert schlug sich noch immer tapfer gegen Benjamin und holte gerade zum Streich aus, als ihn ein Pfeil in den Rücken traf. Erschrocken schnappte Louis nach Luft, als er das sah. Cuthberts Schlag wurde sofort schwach und er sackte zusammen. „Nein!" schrie eine Stimme und Zayn, der in einiger Entfernung stand, griff sich einen Langbogen, legte einen Pfeil ein und zielte damit auf den König um zu verhindern, dass er Cuthbert traf. Natürlich traf er sein Ziel: den Unterarm des rothaarigen Mannes, der sofort das Schwert fallenließ und entgeistert das Stück Holz ansah, das in seinem Arm steckte. Das Pferd trampelte führungslos zwischen einigen toten Körpern herum, während Zayn und Veland auf es zuliefen. Sie zogen den König vom Rücken des Tieres und drückten ihn hinunter ins Gras. Die wenigen Soldaten, die noch kämpften, sahen, dass ihr König geschlagen war und ergaben sich rasch. So kam es, dass das Klirren der Schwerter verklang, bis Ruhe auf der Wiese herrschte. Louis konnte Harry sehen, der in einiger Entfernung stand und die Hände auf die Knie stützte. Als auch er erkannte, dass er Kampf vorbei war, humpelte er durch das hohe Gras hinüber zu Zayn und Veland.

Alle Merry Men und Soldaten versammelten sich vor dem König und seinen Männern, die auf dem Boden knieten und ihre Waffen weggeworfen hatten. „Ihr seid geschlagen." sagte Harry mit matter Stimme und noch immer schwer atmend. „Ergebt Euch." - „Ihr seid der König?" entgeistert blickte Benjamin Harry an. Er war auf die List mit den getauschten Umhängen hereingefallen und hatte sich mit dem falschen König angelegt. „Ich will Verhandlungen." forderte er und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als Veland ihm den Arm auf dem Rücken noch ein wenig mehr verdrehte. „Ich denke, Ihr habt nicht das Recht darauf, einen Anspruch auf etwas zu erheben. Wir werden uns beraten, was mit Euch geschieht. Fesselt sie!" verlangte Harry und schloss einen Moment die Augen. Louis blickte ihn unsicher an. Was hatte er? War er verletzt? Prüfend musterte er Harry, konnte jedoch außer einiger Kratzern keine schweren Wunden entdecken. Doch der Atem des jungen Königs ging zitternd und sein Gesicht zeigte deutlich, dass er Schmerzen hatte, außerdem schien er Schwierigkeiten zu haben, sich auf den Beinen zu halten. „Harry, bist du verletzt?" fragte er besorgt. „Ja, aber es ist nicht schlimm..." erwiderte dieser und deutete auf seine linke Wade. Dort war der Stoff seiner Hose zerrissen und blutig, doch was genau Harry dort verletzt hatte, konnte Louis nicht erkennen. „Das wird schon gehen...wir müssen uns jetzt auf etwas Wichtigeres konzentrieren." sagte er und folgte Veland humpelnd, der den gegnerischen König zu dem Zelt schleppte, in dem sie den Schlachtplan besprochen hatten.

Zayn schloss sich ihnen nicht an.

Er kniete wenige Meter entfernt im Gras und beugte sich über Cuthbert. Tränen liefen ihm über die Wangen und der Schmerz, der in seinem Gesicht zu lesen war, tat Louis in der Seele weh. Er ging zu Zayn hinüber und kniete sich neben ihn ins Gras. Er brauchte nicht zu fragen, ob Cuthbert noch zu retten war, denn ein Blick auf ihn reichte aus, um zu erkennen, dass er den Pfeil nicht überleben würde. Er lag auf der Seite, während das Geschoss noch immer in seinem Rücken steckte. Seine Augen waren geschlossen und die Haut fahl und blass. „Cuthbert, bitte....du musst durchhalten...." jammerte Zayn und nahm sein Gesicht vorsichtig in die Hände. Cuthberts Augen flatterten und öffneten sich langsam. Er zitterte und konnte kaum sprechen. „Ich kann nicht anders...." keuchte er, hob die Hand und legte sie auf Zayns. „Du musst bei uns bleiben..wir brauchen dich. Harry braucht dich..." - „Harry hat genug treue Freunde...ich habe mein Bestes getan..." keuchte der Sterbende und es schien ihn seine ganze Kraft zu kosten. „Danke, dass ich dich kennenlernen durfte, mein Freund." Zayns Stimme brach und Tränen liefen ihm unaufhörlich über die Wangen. Cuthbert brachte ein müdes Lächeln zustande, dann zitterte er noch einmal, als sei ihm kalt und schließlich fielen ihm die Augen zu. „Nein...das kann nicht sein...er war unser bester Mann. Benjamin dachte, er sei der König und hat es deswegen auf ihn abgesehen...die List hat funktioniert...ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, oder nicht..." jammerte Zayn und legte die Stirn gegen Cuthberts Schulter. Auch Louis stiegen die Tränen in die Augen, als er auf den Toten hinabblickte. Cuthbert war einer ihrer besten, wenn nicht sogar der beste Kämpfer gewesen und es fiel ihm schwer zu glauben, dass er tatsächlich gefallen war und sein Leben für Harry gegeben hatte. „Wir müssen ihn mitnehmen. Er kann nicht hier bei den anderen liegen bleiben." schluchzte Zayn und stand auf. Gemeinsam packten sie Cuthbert unter den Achseln und zogen ihn durch das hohe Gras bis zu dem Zelt vor dem die gegnerischen Soldaten aneinander gefesselt auf dem Erdboden saßen und von Prinz Nialls Männern bewacht wurden.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now