Schnee und Geschosse

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Lady Taylor..

Harry sollte diese blonde Dame zur Frau nehmen? Louis schluckte und biss sich auf die Lippe. Da war es also: das Unvermeidliche. Das, wovor er sich seit einiger Zeit fürchtete, schien nun einzutreten. Harry war stehengeblieben und sah Gwydion an, dann flüsterte er ungläubig: „Das ist Erpressung...König James weiß genau, dass ich eigentlich keine andere Wahl habe, als auf seine Forderung einzugehen." - „Ja, das ist Erpressung. Aber so wird es immer sein. Niemand in dieser Welt tut einem anderen Menschen einfach so einen Gefallen. Zumindest nicht unter den Mächtigen." antwortete Gwydion und er musste nicht mal laut sprechen, denn im Thronsaal waren alle verstummt. Louis blickte in die Gesichter der Merry Men und konnte dort Mitleid und Angst lesen. Viele wussten, wie nahe sich Louis und Harry standen und schienen zu ahnen, wie sehr diese Erpressung sie beide traf. Harry fuhr sich mit den Händen durch die Haare und wandte allen den Rücken zu, um in die Flammen zu starren. „Lassen wir ihn mal allein." wisperte Draca und machte leise einige Schritte zurück. Nach und nach folgten ihm die anderen und zogen sich in eine Ecke zurück, um Harry das Gefühl zu geben, in Ruhe gelassen zu werden. Gwydion und Louis waren die letzten, die noch am Kamin standen. „Lass es dir durch den Kopf gehen. Diese Entscheidung kann den Untergang der Grafschaft bedeuten...." - „Ja, wenn ein Weib hier einzieht, geht die Grafschaft unter..." knurrte Harry, ohne den Zauberer anzusehen. Gwydion seufzte nur und wandte sich dann ebenfalls ab. Louis war nun der Letzte und blickte mit Tränen in den Augen auf Harrys Hinterkopf. Wollte er ihn überhaupt jetzt gerade sehen, oder sollte er sich auch lieber zurückziehen? Testweise machte er einen Schritt zurück und sofort streckte Harry eine Hand nach hinten aus: „Bleib, Louis." bat er und seine Finger streiften Louis Handrücken. Er umfasste Harrys Hand vorsichtig und schlang ihm von hinten die Arme um den Körper. „Verlass mich nicht." brachte er hervor, obwohl er wusste, dass er ihm dafür eigentlich keinen Vorwurf machen durfte. Schließlich wurde Harry von König James vor die Wahl gestellt und handelte nicht aus eigenen Stücken. Der Lockenkopf griff Louis Hand, drückte sie sich an die Brust und hauchte ihm einen Kuss auf die Fingerknöchel und verharrte dann in dieser Position. Sein Atem streifte Louis Haut und er drückte sein Gesicht zwischen Harrys Schulterblätter. „Ich werde dich nicht verlassen....aber ich kann auch die Grafschaft nicht riskieren. Das ist eine verdammte Zwickmühle und ich bin gerade völlig ratlos." Seine tiefe Stimme brummte angenehm in Louis Ohr, das er gegen Harrys Rücken gedrückt hatte. „Versprichst du mir etwas, Lou?" - „Was denn?" - „Sag erst, dass du es mir versprichst." - „Aber ich kann doch nicht, ohne es zu wissen...gut. Ich verspreche es dir." Unsicher schloss er die Augen und konnte Harrys Herz hören, das genauso schnell schlug, wie sein eigenes. „Wenn ich mich für diese Frau entscheide, dann musst du mir glauben, dass ich nur dich liebe und es immer tun werde. Diese Ehe wird nichts sein, was mein Herz berührt. Sollte ich mich dazu entscheiden, dann nur, um die Grafschaft zu verteidigen. Du darfst mir das nicht vorhalten." Einen Moment schwiegen sie und Louis Gedanken kreisten: Was erwartete Harry da von ihm? Er würde sicherlich eifersüchtig auf diese Frau sein, sollte sie die Gemahlin des Mannes werden, den er liebte. „Harry, du erwartest da etwas Großes von mir." fing er an und sofort ließ dieser seine Hand los. „Glaubst du, für mich ist das eine leichte Entscheidung? Sie würde mir aber leichter fallen, wenn ich wüsste, dass du treu zu mir stehst." Die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören und er machte einen halben Schritt von Louis weg. Sofort beschlich ihn das Gefühl, abgelehnt worden zu sein und er streckte die Hand wieder nach ihm aus. „Aber, versuch doch auch, mich zu verstehen. Wie würdest du dich fühlen, wenn du wüsstest, dass ich eine Frau heirate? Dass ich mir ihr das Bett teile?" - „Ach was, davon habe ich nie gesprochen. Sie wird ihre eigenen Gemächer bekommen und in ihrem Bett schlafen. In meine Kammer kommt keine Frau." widersprach Harry und es klang so absurd, dass Louis tatsächlich kurz auflachte. „Und du denkst, sie wird das mit sich machen lassen?" - „Ich würde ihr Mann sein. Sie hat zu tun, was ich von ihr verlange. Und wenn es die Nutzung des eigenen Bettes ist, wird sie sich daran zu halten haben." Harry ließ sich vor dem Kamin auf den Boden sinken, zog die langen Beine an die Brust und umschlang sie mit den Armen. So saß er da, blickte in die Flammen und schwieg, während Louis in einigem Abstand zu ihm stehenblieb und sich schlecht fühlte, weil er ihm nicht das Versprechen gegeben hatte um das er ihn bat. „Ich dachte, du liebst mich." nuschelte der König und Louis seufzte: „Jetzt versuchst du mich wirklich mit Mitleid um den Finger zu wickeln?" - „Ich versuche dich lediglich von meiner Ehrlichkeit zu überzeugen. Ich hatte gedacht, du wüsstest, dass ich das, was ich sage, ernst meine. Und wenn ich sage, dass ich nur eine Ehe eingehen würde, um mein Land zu schützen, wäre dir das Beweis genug dafür, dass ich dich liebe." Louis seufzte „Das weiß ich doch, aber es ist schwer für mich das zu akzeptieren." gab er zu und legte Harry die Hand auf die Schulter. „Ich muss über meine Entscheidung in Ruhe nachdenken. Würdest du mich allein lassen?" fragte Harry. Louis nickte knapp und zog die Hand zurück. Er sollte traurig sein, was diese Entwicklung anging, doch stattdessen spürte er eine heftige Wut in sich aufsteigen. Um zu verhindern, dass er Harry noch weiter ein schlechtes Gewissen machte, drehte er sich auf dem Absatz um und stürmte regelrecht aus dem Thronsaal. Ohne so recht zu wissen, was er tat, ging Louis zurück in die Kammer, die er (noch) mit Harry teilte. Dort warf sich warme Kleidung über und stampfte dann über den Hof zu dem Durchgang, der ihn hinunter zu der Wiese führte, wo Zayn und Cuthbert die neuen Soldaten unterrichteten.

Der verlorene KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt