Zurück in die Wildnis?

271 62 11
                                    

Harry ließ den Kopf wieder nach vorn fallen, sodass seine dunklen Locken in allen Richtungen auf dem Holztisch landeten und ächzte. „Ich glaube, das reicht mir für heute, sonst platzt mir noch der Kopf. Zayn, wärst du so nett und bringst den Schreiber morgen früh hierher, damit wir ihn zu den Gefangenen befragen können?" bat er seinen Freund und Zayn nickte ergeben. „Ich werde mich morgen mit der Rekrutierung neuer Soldaten vertraut machen." sagte Cuthbert mit ruhiger Stimme. Harry sagte dazu nichts, aber Prinz Niall nickte sofort lebhaft, als fände er den Gedanken, Cuthbert als Anführer der Soldaten zu wissen, sehr gut. „Ich danke euch, für die Hilfe." seufzte Harry und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, dann erhob er sich von seinem Platz. Erst jetzt, bemerkte er Louis, Buck und Ed, die tropfend und halb bekleidet neben einer Säule standen und warteten. Sie hatten das Gespräch nicht unterbrechen wollen und hatten leise gewartet. Harry hob fragend eine Augenbraue und seine Augen weiteten sich beim Anblick von Louis, der nur in seiner Hose dastand. „Wieso seid ihr so nass?" fragte er. „Wir haben die Vorratssäcke für die Verteilung an das Volk abgefüllt." sagte Louis und neigte den Kopf. Niemand sollte denken, dass er keinen Respekt vor Harry hatten, obwohl sie hinter verschlossenen Türen einander ganz anders gesinnt waren. „Sehr gut, dann kann das ja gleich morgen verteilt werden." beschloss Harry und sah Louis direkt an. „Wenn du möchtest, dann können wir beide das gemeinsam übernehmen." - „Ja, sehr gern." antwortete Louis, doch Gwydion funkte dazwischen: „Harry, du solltest nicht mehr allein in den Wald gehen. Dein Leben ist wertvoll und es gibt viele Gefahren da draußen." Ausdruckslos sah Harry den Druiden an und sagte: „Du wusstest mein Leben lang, wer ich war und hast mich immer allein im Wald herumziehen lassen. Ich war schon immer König und schon immer in Gefahr. Ich kann mich verteidigen und Louis ist bei mir. Wenn wir deiner Meinung nach Geleitschutz brauchen, dann nehme ich gerne eine deiner Krähen mit." Gwydion sah Harry an, als hätte dieser ihm gerade vor die Füße gespuckt. Louis tat der Druide in diesem Moment ein wenig Leid, denn er wusste ja, dass der alte Mann es nur gut mit Harry meinte und eine solche Zurückweisung zu bekommen, war sicher auch für einen Zauberer nicht leicht. „Wie du meinst. Es ist nur ein Rat meinerseits. Ich ziehe mich zurück." Mit diesen knappen Worten, begleitet vom Rauschen seines Gewandes ging Gwydion aus der stillen Halle hinaus ins Freie.

Alle sahen ihm nach und Niemand sagte etwas. Erst, als die schwere Eingangstür hinter dem Mann ins Schloss gefallen war, sagte Zayn: „War das nötig, Harry? Er sorgt sich um dich. Und er war nicht umsonst Berater deines Großvaters." - „Er tut so, als könnte ich nicht auf mich selbst aufpassen, das ärgert mich." schnaubte der junge König und ging mit schnellen Schritten ebenfalls in Richtung Tür. „Ich brauche ein wenig frische Luft."

Kaum war auch Harry verschwunden, seufzte Zayn und blickte fragend den Prinzen an, der mit den Schultern zuckte: „Lass ihn. Er muss sich erst an die Verantwortung gewöhnen, die er jetzt trägt, das kann einige Zeit dauern." Louis wandte sich um und sah auf die große Tür, die nun verschlossen war. Ob er Harry hinterher gehen sollte? Oder war es besser, ihn jetzt allein zu lassen, damit er sich beruhigen konnte. Ed und Buck hatten offenbar beschlossen hier zu bleiben, denn sie gingen zum Kamin und hängten ihre nassen Oberkleider vor das Feuer, um den Stoff zu trocknen. Louis stand einen Moment unschlüssig da, dann ging er auf die Tür zu, drückte sie auf und trat dann hinaus.

Vom obersten Punkt der Treppe aus, hatte er einen guten Blick über den Burghof und er hielt Ausschau nach Harry, konnte ihn aber nirgendwo sehen. Er konnte Liam erkennen, der noch immer bei Louise stand und an denen gerade ein Pferdekarren vorbeifuhr, doch der König war nicht zu sehen. Vielleicht war er in seinem Zimmer. Louis beschloss dort nachzusehen. Er stieg die Treppe hinunter und wurde dabei von den arbeitenden Menschen verwundert betrachtet, weil er ohne Oberbekleidung hier herumlief, doch Louis besaß nur dieses eine Hemd, das sich gerade tropfend nass in seiner Hand befand. Vielleicht fand er in Harrys Gemach noch etwas anzuziehen.

Der verlorene KönigTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon