Epilog

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Die Sonne ging auf und scheuchte die Nacht langsam davon, die sich immer weiter in den Osten zurückzog, um dem blassen Lila, das sich langsam in Purpur verwandelte, Platz zu machen. Der Horizont färbte sich immer heller und es sah fast so aus, als sei der Saum des dunklen Kleides, das die Nacht trug ein wenig ausgewaschen. Sonnenstrahlen, kraftlos und zu schwach, um genug Wärme spenden zu können, schoben sich über die Hügel in der Ferne und blitzten über die Wiesen voller Nebel und den großen, dunklen Wald, der bis an den Fuß des Berges reichte, auf dem eine Burg errichtet worden war.

In dieser Burg hatte sich eine Menge zugetragen und viel Leid war über die Grafschaft gekommen. Doch es gab einen neuen König, der noch dazu Herrscher über das Nachbarkönigreich war. König Harry lebte nun schon seit einem Winter auf dieser Burg und dem Volk, das im Wald und in den umliegenden Dörfern lebte, ging es unter seiner Herrschaft gut.

Nachdem er einen Angriff König Benjamins von Lancashire abgewehrt hatte, war sein Heer auf die doppelte Menge an Soldaten angewachsen. Die Hälfte der Männer lebten auf der Burg, die andere Hälfte war gemeinsam mit dem ersten Heerführer Zayn nach Lancashire gegangen. Dort wurden die Regierungsgeschäfte nun von dem jungen Mann mit der Augenklappe geregelt, damit der König nicht immer zwischen den beiden Burgen hin und her reiten musste.

Der heutige Sommertag würde heiß werden und bereits in den frühen Morgenstunden zwitscherten die Vögel laut in den Bäumen des Waldes. Auf dem Hof der Burg jedoch, gab es an diesem Tag kein Vogelgezwitscher. Alle Tiere waren schon früh von einem lauten Schmerzensschrei aufgescheucht worden und in den hellrosa Himmel davon geflattert. In der ganzen Burg hatte es sich rasch herumgesprochen, dass die Königin in den Wehen lag. Die ganze Belegschaft war auf den Beinen und Mägde und Geburtshelferinnen gingen in den Gemächern der jungen Frau ein und aus. Dabei ignorierten sie die drei Männer, die nervös auf dem Flur vor den Gemächern auf und ab gingen.

Louis wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich etwas zu frühstücken, doch Harry wollte davon nichts hören. „Womöglich kommt das Kind genau in dem Augenblick, wenn wir uns davonmachen." sagte er und blieb neben der hölzernen Tür stehen, als sei er festgewachsen. Ihm gegenüber patrouillierte Thomas auf und ab. Das Gesicht war blass und er voller Angst um das Leben der Königin, schließlich wäre sie nicht die erste, die eine Geburt nicht überlebt.

„Ich kann das nicht mit anhören, das bereitet einem selbst ja schon fast körperliche Schmerzen." jammerte Louis und presste sich die Hände auf die Ohren. Den ganzen Morgen ging das nun schon so und sie hatten sich bisher noch nicht außer Hörweite des Zimmers begeben. Louis klingelten schon die Ohren und er wollte nur noch weg. Auf der anderen Seite wollte er Harry aber nicht allein lassen und so blieb er vor der Tür stehen und hörte der Königin weiter zu, die unter höllischen Schmerzen ein Kind auf die Welt brachte. Nach einem besonders langen Schrei war es plötzlich still. Die drei Männer vor der Tür blieben stehen, wie erstarrt und sahen einander unsicher an. „Was ist passiert? Wieso ist es so ruhig?" fragte Thomas mit weit aufgerissenen Augen und hielt die Luft an. „Ich weiß nicht. Louis, sieh nach." hauchte Harry und schluckte ängstlich. „Wieso ich? Ich bin weder der Vater des Kindes, noch der Geliebte der Königin. Wieso sollte ich also..." - „Bitte Lou....ich kann das nicht." Harrys Tonfall war bittend und er blickte ihn so verzweifelt an, dass Louis aufgab, denn er wusste, dass er Harrys Blick nicht widerstehen konnte. Vorsichtig näherte er sich der Tür, als befände sich dahinter das Tor zur Hölle und legte eine Hand auf die Klinke. Im selben Moment erklang der Schrei eines Babys.

Dumpf und leise, aber es war eindeutig ein kleiner Mensch, der dort hinter der Tür gerade schrie. Sowohl Harry, als auch Thomas sanken gleichzeitig an der Wand hinunter. Beiden war Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Sie hat es überlebt." hauchte Thomas, während Harry nur ein: „Ich bin Vater...." vor sich hin stammelte.

Gemeinsam mit zwei völlig aufgelösten Männern stand Louis wenig später am Bett der Königin. Lady Taylor sah blass und müde aus und hatte kaum einen Blick für die Männer übrig. Ihre Augen waren auf das kleine Bündel geheftet, das in ihrem Arm lag und schlief. Noch nie im Leben hatte Louis ein Neugeborenes gesehen und er war überrascht, wie klein ein Mensch sein konnte. „Was ist es?" fragte Harry eine der Geburtshelferinnen. Die Frau trug gerade eine Menge blutiger Tücher weg und senkte ehrfürchtig den Blick, weil der König sie direkt angesprochen hatte. „Es ist ein Prinz, Eure Majestät." - „Ein Thronfolger." seufzte Harry erleichtert und ehe Louis sich versah, hatte er ihn vor Freude geküsst.

Der Junge wurde unter dem Namen Edward bekannt und wuchs unter der liebevollen Fürsorge von König Harry, Louis, Lady Taylor und Thomas auf.

~ENDE

Wow, das Buch ist beendet. Vielen Dank an alle, die das Buch beim zweiten Hochladen gelesen haben und dabei Spaß hatten.ich habe diese Geschichte vor Jahren geschrieben, dann vermeintlich gelöscht und dann wieder entdeckt. Ich bin froh, dass sie wieder da ist.
Das nächste Buch, das ich hochladen werde, ist auch eines, das bei meinem Festplattencrash verloren geglaubt war. Es heißt "Der Lehrling und der Novize" und ich freue mich, dort den ein oder anderen von euch begrüßen zu dürfen.
Alles Liebe

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now