der Verlust zweier Freunde

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Cuthbert verließ die Burg früh am nächsten Morgen. Er hatte sich ein Pferd aus dem Stall genommen und war in den Wald geritten. Louis hatte ihn von der Brüstung aus, die in den Hof ragte, gesehen. Aus irgendeinem Grund beschlich ihn ein ungutes Gefühl, wenn er ihm nachsah.

Die Situation in der sie sich momentan befanden, war zu perfekt. Sie fühlte sich sicher und doch hatte Louis eine Vermutung, ja eine Ahnung, dass der Friede trügerisch war und sie täuschte. Vielleicht war das die Ruhe vor dem Sturm, wie man häufig zu sagen pflegte und er wünschte sich, den Sturm nicht erleben zu müssen. Passend zu seinen Gedanken, kam ein heftiger Wind auf und die Wolken, die über den Himmel zogen türmten sich drohend auf und wurden immer dunkler. Louis zog den Kopf ein, als ihm die ersten kalten Tropfen ins Gesicht flogen und trat rasch einen Schritt von der Brüstung weg, um nicht nass zu werden.

Das Tröpfeln wurde schnell zu einem heftigen Regen und das Leben im Burghof erstarb beinahe, weil sich alle in die Stallungen und Gebäude zurückzogen. Auch wollte es an diesem Tag nicht richtig hell werden, denn die Sonne schaffte es nicht durch die Wolken hindurch zu brechen. Im Thronsaal war es so dunkel, dass zusätzliche Kerzen aufgestellt wurden und sie unternahmen nicht viel, denn Draußen war es ungemütlich und kalt. Der Regen peitschte gegen die Fenster des Thronsaals und zum ersten Mal war Louis froh, dass Harry König war, denn so hatten sie ein festes Dach über dem Kopf. Der Druide saß den ganzen Tag in einem Stuhl am Feuer und blickte in die Flammen. Ob er auch dieses ungute Gefühl verspürte, dass Louis seit dem Morgen beschlich? Er trat an den alten Mann heran und fragte: „Gwydion?" Der Angesprochene hob den Kopf und blickte ihn an, als hätte Louis ihn gerade aus den tiefsten Gedanken gerissen. „Darf ich Euch etwas fragen?" - „Nun, das hast du gerade getan." antwortete der alte Mann und schmunzelte Louis an, gab ihm jedoch mit einem Nicken zu verstehen, dass er gerne noch eine weitere Frage stellen durfte. Zögerlich zog sich Louis einen hölzernen Stuhl ans Feuer und setzte sich darauf: „Dieser Friede kommt mir trügerisch vor...bilde ich mir das ein, oder habt Ihr auch so ein seltsames Gefühl?" Kaum hatte Louis diese Worte ausgesprochen, kamen sie ihm dumm vor und er war sich nicht sicher, ob er die Frage besser zurücknehmen sollte. Gwydion sah ihn aus wachen Augen forschend an und sagte langsam: „Ich habe ein Gefühl der Rastlosigkeit und ich denke, dass die Aufregung, die wir bisher erlebt haben, noch nicht beendet ist. Seit Tagen schon beobachte ich das Treiben in der Grafschaft, in der Hoffnung, etwas Bedrohliches zu entdecken, doch da ist nichts. Es scheint mir fast so, als versuchte etwas sich vor meinen Augen zu verbergen." Diese Worte trugen natürlich nicht gerade dazu bei, dass Louis ruhiger und entspannte wurde. Im Gegenteil: wenn sogar der Druide einen Verdacht hegte, sollte das ernst genommen werden. „Ich habe meine Krähen in die Lüfte geschickt." fuhr Gwydion leise fort. „Sie überwachen das Geschehen hier im Wald und werden mir hoffentlich rechtzeitig Meldung erstatten, sollte sich Gefahr auf uns zu bewegen." Louis war froh zu hören, dass der Druide bereits etwas unternommen hatte, um das Unbekannte zu bekämpfen.

Gegen Nachmittag ließ der Regen ein wenig nach und Louis nutzte die Chance, kurz vor die Tür zu treten, um frische Luft zu schnappen.

Es war kalt und klar und eine kühle Brise wehte durch das offene Haupttor des Thronsaals. Auf der obersten Treppenstufe blieb Louis stehen und blickte in den wolkenverhangen Himmel. Die Regenwolken waren noch immer dicht und bauschten sich bedrohlich am Himmel auf. Sicherlich würde es nicht lange dauern, bis ein erneuter Regenschauer auf sie hernieder prasselte. Ein kleiner, dunkler Punkt in den Wolken erregte seine Aufmerksamkeit und er kniff die Augen zusammen, um zu erkennen, was sich dort bewegte. Es musste ein Vogel sein und er flog genau in ihre Richtung. Mit gleichmäßigen Flügelschlägen steuerte der Vogel die Burg an und jeden Meter, den er zurücklegte, festigte den Knoten in Louis Brust. Es war, als würde der schwarze Vogel am Himmel das Unheil verkörpern, das sich auf sie zu bewegte und das sich von nichts und Niemandem aufhalten ließ. Man konnte nur zusehen und hoffen, dass es nicht allzu schlimm für sie alle werden würde.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now