Kräuter und Magie

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Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich am Fuße des Berges ankamen, auf dem die Burg stand. Gwydion trieb sein Pferd den steilen Pfad hinauf und Louis folgte. Der Weg war so steil, dass Harry nach hinten kippte und Louis sich an der Mähne des Pferdes festhalten musste, um nicht herunter zu fallen. Das Pferd machte kleine Trippelschritte und er drückte dem Tier ungeduldig die Fersen in die Seiten, bis es schnell genug lief.

Windung um Windung näherten sie sich der Burg. Es wurde immer schwerer Harry festzuhalten. Louis konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er war sich sicher, dass er mittlerweile bewusstlos geworden war. Wie viel Gift wohl an der Pfeilspitze gewesen war, die ihn getroffen hatte? Besorgt versuchte er einen Blick auf Harrys Verletzung zu erhaschen, um zu sehen, ob es noch blutete. Doch, als er sich zur Seite lehnte, kippte ihm Harry beinahe auf der anderen Seite herunter und er musste ihn rasch wieder festhalten.

Klappernd trafen die Pferdehufe auf die Pflastersteine des Burghofes. Gwydion war bereits von seinem Pferd herunter gesprungen und schon auf der Treppe. „Bringt den König in den Thronsaal!" rief er den Menschen im Hof zu. „Rasch!" setzte er nach, als alle zögerten und Niemand den ersten Schritt machen wollte. Der Schmied, der einer der stärksten Männer im Hof war, zog Harry vom Pferd und trug ihn alleine die Treppe hinauf in den Thronsaal. Die Dienstboten und Mägde, die ihre Arbeit unterbrochen hatten, blickten ihm besorgt nach. Louis stieg vom Pferd und rannte dem Schmied hinterher.

Als er in den Thronsaal platzte, hatte der Schmied Harry bereits auf den langen Tisch gelegt und Gwydion kramte in kleinen Metallschalen und Tonkrügen nach Kräutern. „Kann ich etwas tun? Bitte, ich möchte helfen." bettelte Louis atemlos und sah hektisch zwischen Gwydion und Harry hin und her. „Bleib bei ihm...er hat Schmerzen." sagte der Zauberer abwesend und zog einige getrocknete Blätter aus einem Krug und warf sie in einen Mörser. Louis trat an den Tisch heran, danke dem Schmied leise und sah dann auf Harry hinab. Seine Atmung ging schwer und er bewegte sich kaum. Der Ritt zur Burg schien ihn seiner letzten Kraft beraubt zu haben. Louis griff nach den schlaffen Fingern und hielt Harrys Hand fest. „Alles wird gut. Gwydion heilt dich." flüsterte er, doch er wusste nicht genau, ob Harry ihn hören konnte. Immer wieder flatterten seine Augen auf, doch er schien halb ohnmächtig zu sein und kaum noch etwas in seiner Umgebung wahrzunehmen. Ängstlich hob Louis den Kopf und sah zu Gwydion hin – hoffentlich beeilte er sich. Harry zitterte und wimmerte leise vor Schmerzen und Louis wollte sich gar nicht ausmalen, was das Gift des Pfeils in seinem Körper auslösen mochte. Wenn Cuthbert so schnell daran gestorben war, musste es sehr stark sein. „Lou..." krächzte Harry, öffnete die Augen und blickte ihn an. „Shht, alles wird gut, wir sind schon in der Burg. Gwydion wird dir gleich helfen." Louis Stimme zitterte ein bisschen und er hoffte, seine Worte würden Harrys Schmerzen ein wenig lindern, doch der König zitterte immer heftiger. Zweimal würgte er, als müsste er sich übergeben. „Gwydion, beeil dich! Er stirbt hier sonst!" flehte Louis und sah panisch zu dem Druiden hin. „Ich bin schon da." hektisch in einem Mörser rührend, kam der alte Mann zu ihnen herüber. Mit einem Spatel strich er eine dicke, übelriechende Paste auf das Loch in Harrys Bein. Sobald die Paste mit der Haut in Berührung kam, zischte es laut und das Zeug begann zu dampfen. „Argh!" schrie Harry und warf den Kopf hin und her. „Alles wird gut, bitte halte still." bettelte Louis und biss die Zähne zusammen, als Harry seine Hand vor Schmerzen zusammendrückte. Gwydion legte ein Tuch auf die Wunde und schloss die Augen. Er murmelte leise vor sich hin, hielt die Hände vor sich und öffnete die Finger, als ob er eine unsichtbare Kraft dazwischen festhalten würde. Dann legte er die Hände auf Harrys Bein, der zusammenzuckte und ächzte. Louis beobachtete das Geschehen genau und es schien ihm fast so, als würde Harry mit jedem Wort, das Gwydion murmelte, ein wenig ruhiger. Die Stimme des Druiden wirkte einschläfernd und Louis entspannte sich zusehends. Auf dem Tuch, das auf der Wunde lag, hatte sich ein schwarzer Fleck gebildet, der immer größer wurde. Die dunkle Flüssigkeit durchtränkte langsam das ganze Tuch und es sah beängstigend aus. „Was ist das?" fragte Louis den Zauberer, ohne den Blick von dem Fleck abzuwenden. Gwydion antwortete nicht. Konzentriert murmelte er weiter vor sich hin, bis Harry vollkommen ruhig da lag. Mit einem letzten Druck auf die Wunde, beendete Gwydion seine Heilung und richtete sich schwer atmend auf. Das Gift aus Harrys Körper zu ziehen, schien auch ihn sehr angestrengt zu haben.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now