Soll Louis die Burg verlassen?

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Louis schabte die Holzschale bis auf den letzten Rest leer, leckte dann den Holzlöffel ab und schob alles von sich. Er hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig er gewesen war, bis er etwas in den Magen bekommen hatte. Leise stand Louis auf, bedankte sich dann mit einem Nicken bei den Damen der Küche für seine Mahlzeit verließ dann die Küche durch die schmale Tür wieder und ging über den Hof zurück. Louis suchte die Kapelle und fand auch die Treppe, von der Louise gesprochen hatte. Sie war schmal und recht steil und führte in einen kleinen Innenhof, dessen Boden mit Gras bewachsen war. Die Mauern rund herum waren aus hellem Stein und hatten schmale, hohe Fenster. Vermutlich flogen die Falken durch diese Fenster zurück in die Burg. Einige Pechnasen waren ebenerdig angebracht und Louis wagte einen Blick durch eine hindurch. Die Mauer der Burg ging beinahe nahtlos in eine Felswand über. Praktisch, wenn man die Angreifer durch diesen Spalt mit heißem Pech übergießen wollte. Doch für Louis als Fluchtmöglichkeit total unbrauchbar. Er richtete sich wieder auf und sah sich nach der Tür um, die Louise beschrieben hatte. Im Schatten unter der Treppe fand er sie. Sie lag gut versteckt und an den Seiten war bereits Moos, das über die Steine wuchs über das Holz gewuchert, sodass er nach dem Griff tasten musste. Vorsichtig drückte er die schwere Tür auf, die offenbar seit langer Zeit nicht mehr genutzt worden war und streckte dann den Kopf hinaus. Hier auf dieser Seite der Burg, schien die Wetterseite zu sein, denn der Wind blies ihm entgegen und er konnte kaum atmen, weil er ihm auf die Nase drückte. Seine Augen tränten sofort und er kniff sie zu, bevor er blinzelnd nach unten sah. Tatsächlich führte ein schmaler Weg von der Tür weg doch war er weitaus steiler, als Louise es beschrieben hatte und er wagte es nicht, auch nur einen Schritt nach Draußen zu machen. Er würde sich den Hals brechen, wen er diesen Weg nehmen würde. Kurzerhand verwarf er die Idee, drückte die Tür wieder zu, setzte sich und lehnte sich dagegen. Er musste nachdenken. Was wollte er? Die Antwort konnte er sich selbst nicht genau geben. Auf der einen Seite wollte er Harry aus dem Weg gehen, weil er so verletzt davon war, dass der ihn so missbraucht hatte. Aber wenn er ganz tief in sich selbst hineinhörte, dann wollte er Harry nicht verlassen. Er brauchte seine Nähe, wie die Luft zum Atmen. Louis zog die Knie an die Brust und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Wieso war er so abhängig von ihm? Wieso hatte er nicht genug Kraft, seinen Kopf durchzusetzen und Harry zu zeigen, dass man mit ihm nicht alles machen konnte? Nein, stattdessen saß er hier, war kurz davor gewesen, abzuhauen und wagte es nicht. Aber wieso wagte er es nicht? Vielleicht, weil er insgeheim Angst hatte, dass er ihm nicht mehr folgen würde? Wenn er sich genau überlegte, dann wollte er nur gehen, um Harry eins auszuwischen. Würde Harry ihm nachlaufen, oder wäre er jetzt als König zu beschäftigt? Sollte Louis wirklich die Burg verlassen, dann würde er das niemals erfahren.

Nein, er musste einen anderen Weg finden und beschloss zurück zu gehen und sich die Burg einmal genau anzusehen.

„Louis, wie geht es dir?" Zayn kam auf ihn zu, als er aus der Kapelle trat. Er trug seinen Bogen bei sich und sah ihn erfreut an. „Schön, dich wieder auf den Beinen zu wissen." sagte er und zu Louis Überraschung, zog er ihn in eine Umarmung. „Wir waren wirklich alle sehr besorgt. Harry hat angeordnet, dass jede Nacht einer von uns Wache an deinem Bett hält, damit er ein wenig schlafen konnte. Du sahst wirklich schlimm aus." sagte er und besah sich die Hämatome an Louis Hals. „Mir geht es schon viel besser." krächzte Louis und ebbte dann ab, als Zayn ihn mitfühlend ansah und sagte: „Ich habe Harry vorhin nur kurz gesehen, aber er war ganz durcheinander. Hat er dir von dem Plan berichtet?" Louis nickte nur knapp und Zayn seufzte: „Es tut mir wirklich Leid. Du musst dich furchtbar fühlen..." - „Ja. Tu ich." gab Louis leise und kurz angebunden zurück und wollte sich an Zayn vorbeischieben, doch der hielt ihn fest: „Louis! Du musst wissen, dass wir nichts von dem Plan wussten. Es waren nur Harry, der Prinz und Gwydion eingeweiht. Wir anderen dachten alle, dass du wirklich in Gefahr bist und Prinz Niall uns verraten hat. Deswegen kann ich gut verstehen, dass du dich schlecht fühlst. Wir haben auch alle gestaunt, als wir die Wahrheit erfahren haben. Aber wir konnten verstehen, wieso sie den Plan so geschmiedet haben." Louis hatte eigentlich keine Kraft zu Sprechen, denn sein Hals war noch immer trocken und tat weh, sobald er einen Laut von sich gab, doch einen letzten Satz wollte er Zayn noch sagen. Er sah ihm in die Augen und sagte flüsternd: „Aber ihr wurdet nicht mit dem Tod bedroht und tagelang unter der Decke in ein Netz gehängt." Mit energischen Schritten ging er wieder über den Hof, stieg eine neue Treppe hinauf, die er bisher noch nicht entdeckt hatte und brachte möglichst viel Abstand zwischen sich und Zayn, der ihm ja doch nur Harrys Verhalten verständlich machen wollte.

Der verlorene KönigWhere stories live. Discover now