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A m a y a

Levi hat sein Versprechen gebrochen.

Er tut mir wieder weh.

Er steht da, während Adam und die anderen über mich lachen, und er sagt nichts. Ich bin mir sicher, er denkt, das würde die Situation irgendwie besser machen. Das tut es nicht. Seine Stille ist ohrenbetäubend.

Ich weiß nicht, worüber sie reden, aber ich habe keine Zweifel, dass es dabei um mich geht. Adam's Finger in meine Richtung und dieser ganz bestimme Ausdruck in seinen Augen, wenn er mich ansieht, sind Beweis genug.

"Hey, Amaya!", ruft er genau in der Sekunde, in der ich mich dazu entscheide, in die Schulbibliothek zu flüchten. Ich hätte es schon viel eher tun sollen, doch irgendwie wollte ich sehen, ob Levi sein Versprechen einhält.
Mein Fehler.

Adam's Schritte in meine Richtung reißen mich aus meinen Gedanken, versetzen mich vorerst in einen Zustand der Panik, der es mir unmöglich macht, mich zu bewegen. Er ist direkt mit Schuldgefühlen verbunden. Die Fragen "Warum hast du dich nicht sofort gewehrt? Warum hast du ihm erst das Gefühl gegeben, du würdest es wollen? Warum hast du ihm nicht sofort gezeigt, dass du nicht damit einverstanden bist?" werden mich noch lange genug verfolgen. Und die Antwort ist so einfach, und so schwer zugleich; Weil ich es nicht kann.

Weil ich dort lag und hier stehe, und ich sehe diesen großen, starken Jungen auf mich zukommen, und ich kann mich nicht bewegen. Ich kann einfach nicht. Mein Körper ist eingefroren, und egal, wie brennend die Stimme in meinem Kopf ist, die mich anschreit, irgendetwas zu tun, ich kann nicht. Die Flammen bringen mich einfach nicht zum schmelzen.

Ohne Bedeutung schmerzt dieses Feuer einfach nur, also versuche ich mir einzureden, dass es in Ordnung ist. Er will etwas von mir und ich werde es ihm geben. Wenn mein Kopf und Körper im Einklang sind, dann tut es nicht mehr so weh. Es macht das alles irgendwie etwas besser. Wenn ich mir das selbst oft genug einrede, dann glaube ich es vielleicht irgendwann.

Meine Augen wandern unwillkürlich zu Levi, der sich von der Wand abstoßt, an die er sich bis gerade noch gelehnt hat. Sein ganzer Körper verspannt sich, ähnelt von außen wahrscheinlich meinem. Wir werden bloß von anderen Gefühlen angetrieben. Und es ist diese plötzliche Sorge seinerseits, die die Flammen noch stärker entfachen lässt.

Er steht ein paar Meter von uns entfernt, seine Hände zu Fäusten geballt und ein Ausdruck auf seinem Gesicht, der mich Böses ahnen lässt.

"Ich habe mitbekommen, dass du geklaut hast. Stimmt das?", ertönt Adam's Stimme direkt vor mir. Erst jetzt erkenne ich, wie nah er mir inzwischen ist. Würde ich meine Hand auch nur anheben, könnte ich ihn berühren.

Und auch, wenn ich mir selbst einrede, es wäre in Ordnung, gibt es da anscheinend noch immer diesen Teil in mir, der mir nicht glaubt. Er ist verantwortlich für die Tränen in meinen Augen.

"Ach, komm schon!", sagt Adam plötzlich und legt seinen Kopf lachend schief. "Sag mir jetzt nicht, dass du erwartest, diese Unschuldsnummer würde bei mir ziehen."

Nein. Das denke ich nicht. Weil auch ich nicht daran glaube. Weil ich mir selbst einreden kann, dass mein Cousin mich nicht ruiniert hat, aber kein Wort der Welt wird diese Scham jemals von mir waschen. Das Gefühl sitzt so tief in meinen Wurzeln, dass ich es von außen nicht erreichen kann. Und ich habe es versucht. Gott, ich habe es versucht. Ich habe meine Haut wund geschrubbt, bis ich geblutet habe, doch die rote Farbe konnte mich nicht erlösen.

"Weißt du, ich kenne solche Mädchen wie dich. Diese Schüchternheit, dieses verdammt naive Verhalten, sind einfach nur eine Fassade. Du tust so, als wärst du rein und unbefleckt, doch jeder kann sehen, wie verdammt dreckig du bist, Amaya."

StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt