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A m a y a

Als ich am nächsten Morgen durch meinen Wecker aus dem Schlaf gerissen werde, ist Levi bereits weg. Es fällt mir leichter als sonst, das laute Piepen auszustellen und mich aufzusetzen, was mit Sicherheit daran liegt, dass ich schon seit langem nicht mehr so gut geschlafen habe, wie in dieser Nacht. Mit Levi an meiner Seite.

Eine ganz bestimmte Vorstellung zieht dennoch an meinem Herzen, ein unbeschreibliches Gefühl.

Levi und ich wachen gemeinsam auf. Wir frühstücken zusammen, machen uns danach für die Schule fertig. Nebeneinander gehen wir zur Bushaltestelle. Im Bus lehne ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab.

Aber als die Stimme meiner Mutter mich wieder ins Hier und Jetzt holt, sitze ich alleine am Esstisch und zwinge mich dazu, alleine zu frühstücken, um wenigstens etwas Energie für den Tag zu tanken; Für das, was noch kommen könnte. Ich weiß, dass meine Einsamkeit nur mir zu Schulden kommt. Immerhin habe ich Levi darum gebeten zu gehen, bevor meine Eltern ihn sehen können, aber das habe ich lediglich getan, um uns zu schützen. Aus diesem Grund schafft es die Reue auch nicht, mich auf ihre Seite zu ziehen.

"Es gefällt mir übrigens nicht, wie ihr euch gestern verhalten habt", fängt meine Mutter an, während sie sich bereits zum zweiten Mal an diesem Morgen Kaffee in ihre Tasse schüttet.

Ich zwinge das letzte Stück des trocknen Toast's meinen Hals hinunter und stehe dann mit meinem Teller in der Hand auf.

"Wir haben nichts gemacht, Mom", antworte ich bloß, weil es die Wahrheit ist. Ich habe nicht den reinsten Schimmer davon, was sie von mir erwartet, was sie hören will. Was auch immer es ist, ich habe jetzt keinen Kopf dafür. Ich weiß, dass mich dieses Thema für die nächsten Wochen verfolgen wird, also hat sie noch genug Zeit und endlose Möglichkeiten, um ihre Wut an mir abzulassen.

Meine Gedanken sind die ganze Zeit bei Levi. Was er gerade macht. Was er gemacht hat. Was er machen wird. Was wir nicht machen konnten. Es nimmt mich völlig ein. Seit ein paar Tagen nimmt er mich völlig ein, irgendwie anders, als sonst.

"Ihr habt mich angelogen!", wird meine Mutter plötzlich lauter, ich frustriertester, als ich meinen Teller in den Geschirrspüler räume und mich zu ihr drehe.

Es ist nichts neues mehr, die Zielscheibe ihrer ständig schwankenden Launen zu sein. Ob am frühen Morgen oder in der späten Nacht oder selbst mitten am Tag, wenn ich in der Schule bin und sie ihr Handy als Waffe benutzt, sodass ich ihren beleidigen Worten nicht entkommen kann. Aber jetzt will ich nichts weiter, als einfach zu flüchten. Erst recht, wenn meine Erinnerung an Levi auf dem Spiel steht. Die darf sie mir einfach nicht nehmen. Nicht jetzt. Nicht, nachdem es so lange gedauert hat, wieder an dieses Gefühl, welches er in mir auslöst ranzukommen.

"Wieso bist du so sehr davon überzeugt, dass wir etwas Falsches getan haben?", frage ich, meine Frage fast schon ein Flehen. Bitte sag mir, wie ich deinem Hass entkommen kann. Was ich tun muss, um wieder deine Tochter sein. Wie kann ich wieder zu dem kleinen, braven Mädchen in deinen Augen werden?  Sag es mir, sag es mir.

"Weil ich nicht Blöd bin, Amaya! Denkst du etwa, ich war nicht auch mal in eurem Alter?"

Und da ist es wieder. Ich kann ihren Vortrag darüber, dass Freundschaften zwischen Jungen und Mädchen in unserem Alter nicht existieren können, bereits hören. Sie würde mir sagen, dass sie sich in meinem Alter in meinen Vater verliebt hat, dass die beiden auch erstmal nur Freunde waren. Aber sie verstehen es nicht. Sie wollen es nicht verstehen. Und ich hab einfach keine Kraft mehr, es ihnen zu erklären und nach ihrem Verständnis zu betteln. Nicht heute.

Also greife ich abwesend nach meinem Handy und öffne reflexartig Levi's Chat. Er ist der einzige, der mir jetzt Schutz von dem Sturm vor mir bieten könnte. Irgendwie rechne ich mit etwas Neuem, einer Nachricht von ihm, doch die letzte Nachricht ist schon Monate her, und sie kam von mir.

StormWhere stories live. Discover now